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20.12.2013

Mutterschaftsentschädigung – was ist zu beachten?

Regelungen sind nicht immer leicht durchschaubar

Seit 2005 kennt die Schweiz eine obligatorische Mutterschaftsversicherung. Finanziert wird die Mutterschaftsentschädigung aus den Mitteln der Erwerbsersatzordnung (EO). Diese Mittel stammen von Lohnabzügen, die jedem Arbeitnehmer vom massgebenden Bruttolohn abgezogen werden. Dazu hat der Arbeitgeber einen hälftigen Anteil zu entrichten.

1. Einleitung

Im klassischen Sinne handelt es sich bei der Mutterschaftsversicherung um eine Erwerbstätigenversicherung. So erstaunt es denn auch nicht, dass der Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung eng an das Vorhandensein eines Arbeitsverhältnisses, einer Mindestversicherungsdauer und einer Mindesterwerbsdauer geknüpft ist.

Ironischerweise ist der gesetzliche Normalfall jedoch häufig ein Ausnahmefall. Besonders im Gastgewerbe ist praktisch bei jeder Schwangerschaft mit zum Teil längeren krankheitsbedingten Ausfällen zu rechnen. Umso wichtiger ist es, insbesondere für den Arbeitgeber, gut über die Ausnahmetatbestände bei Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit Bescheid zu wissen. Denn das Fehlen einer (allfällig nebensächlich erscheinenden) Voraussetzung der Mutterschaftsversicherung kann dazu führen, dass die Mitarbeiterin nach der Geburt überhaupt keine Entschädigung bekommt.

2. Grundvoraussetzungen

Um generell in den Genuss der Mutterschaftsentschädigung kommen zu können, müssen grundsätzlich kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sein. Diese werden nachfolgend erläutert.

2.1 Arbeitnehmerin / Selbständigerwerbende

Im Zeitpunkt der Geburt muss die Mutter als Arbeitnehmerin oder Selbständigerwerbende gelten (Art. 16b Abs. 1 lit. c EOG). Möglich ist auch eine Mitarbeit im Betrieb des Ehemannes, sofern ein Barlohn bezogen wird. Arbeitnehmerin ist eine Frau, wenn sie in unselbständiger Stellung tätig ist und einen massgebenden AHV-Lohn bezieht (Kreisschreiben über die Mutterschaftsentschädigung gültig ab 01.07.2005, Stand 01.01.2014 (KS MSE), Rz. 1051). In der Regel ist ein Arbeitsvertrag (auch ein mündlich abgeschlossener) ein Indiz dafür. Das Arbeitsverhältnis muss am Tage der Geburt noch bestehen.

Allerdings ist unerheblich, ob die Mutter das Arbeitsverhältnis bereits auf einen späteren Zeitpunkt selbst gekündigt hat oder sie sich am Tage der Geburt in einem unbezahlten Urlaub befindet (KS MSE, Rz. 1054). Das Erfordernis des vorhandenen Arbeitsverhältnisses dürfte regelmässig ohne Weiteres gegeben sein. Dies nur schon allein dadurch, da der Arbeitgeber aufgrund einer zwingenden OR-Bestimmung der Arbeitnehmerin während der Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Niederkunft nicht kündigen darf (Art. 336c Abs. 1 lit. c OR) und die Mitarbeiterin aufgrund des 14-wöchigen Urlaubes nach der Geburt genügend Zeit hat, unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist selbst zu kündigen, sofern sie das Arbeitsverhältnis nach der Geburt nicht weiterführen möchte.

Selbständigerwerbend ist eine Frau, die ein Einkommen erzielt, welches nicht als Entgelt für Arbeit gelten kann (KS MSE, Rz. 1057). Dabei handelt es sich eher um eine theoretische Lehrformel. Praktisch muss die Mutter im Zeitpunkt der Geburt als Selbständigerwerbende bei einer Ausgleichskasse (z.B GastroSocial) anerkannt sein (KS MSE, Rz. 1059). Nicht massgebend ist, ob die Mutter gedenkt, nach der Geburt weiterhin die Selbständigkeit auszuüben (KS MSE, Rz. 1058). Wer während der Schwangerschaft arbeitsunfähig wird und deshalb nicht mehr wirtschaftlich tätig sein kann, verliert den Status als Selbständigerwerbende jedoch nicht (BGE 133 V 73).

2.2 Mindestversicherungsdauer

Gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a EOG muss eine Mutter während der neun Monate vor der Niederkunft im Sinne des AHVG obligatorisch versichert gewesen sein. Die neun Monate werden dabei vom Monat der Geburt nach rückwärts gerechnet (KS MSE, Rz. 1035). Dabei muss lückenlos eine zusammenhängende Kette von neun Monaten bestehen. Beispiel: Bei einer Geburt am 13. September muss die Mutter inklusive September neun Monate versichert gewesen sein, also von Januar bis September.

Erwerbstätige sind grundsätzlich obligatorisch AHV-versichert. Auch Nichterwerbstätige sind grundsätzlich versichert, weil sie gemäss Art. 10 AHVG AHV-Beiträge nach ihren sozialen Verhältnissen bezahlen müssen. Nichterwerbstätige Hausfrauen und Hausmänner können zudem automatisch mitversichert sein, wenn der Ehegatte oder die Ehefrau mindestens den doppelten AHV-Mindestbetrag bezahlt (Art. 3 Abs. 3 AHVG).

Die neunmonatige Versicherungsdauer ist also nicht in jedem Fall gleichbedeutend mit einer neunmonatigen Erwerbsdauer. Vor diesem Zusammenhang lässt sich auch die nachfolgende, dritte zwingende Voraussetzung besser verstehen.

2.3 Mindesterwerbsdauer

Während der neun Monate unmittelbar vor der Niederkunft muss während mindestens fünf Monaten eine Erwerbstätigkeit ausgeübt worden sein (Art. 16b Abs. 1 lit. b EOG). Im Gegensatz zur Mindestversicherungsdauer wird hier effektiv auf ein Arbeitsverhältnis abgestellt. Unerheblich ist jedoch, ob die Arbeitnehmerin Voll- oder Teilzeit gearbeitet hat. Theoretisch genügt auch ein geringes Pensum mit einigen Stunden pro Woche, sofern die Arbeitnehmerin dafür ein Entgelt erhält (KS MSE, Rz. 1058).

Die Mindesterwerbsdauer wird ebenfalls vom Geburtsmonat rückwärts gerechnet. Anders als die Mindestversicherungsdauer, muss sie nicht lückenlos zurückgelegt werden (KS MSE, Rz. 1060). Innerhalb der neunmonatigen Mindestversicherungsdauer sind aber mindestens fünf Erwerbsmonate nachzuweisen. Ferien werden als Erwerbszeit angerechnet, sofern die Mitarbeiterin während dieser Zeit einen Ferienlohn erhält (KS MSE, Rz. 1061).

Auch bei Mitarbeiterinnen im Stundenlohn, die ihren Ferienlohn monatlich als prozentualen Zuschlag ausbezahlt erhalten, dürfte die Anrechnung an die Erwerbszeit regelmässig gegeben sein. Unbezahlter Urlaub gilt jedoch nicht als Erwerbszeit (KS MSE, Rz. 1062), weshalb es hier schnell zu Lücken kommen kann.

2.4 Zwischenfazit

Es ist an dieser Stelle noch einmal zu betonen, dass das Fehlen einer einzelnen Voraussetzung zu einer vollständigen Streichung der Mutterschaftsentschädigung führt. Das EOG kennt insbesondere keine Teilentschädigungen. Auch der Umstand, dass unter Umständen jahrelang EO-Beiträge entrichtet wurden, ändert im Einzelfall grundsätzlich nichts an der Ausgangslage.

3. Sonderbestimmungen bezüglich Arbeitsunfähigkeit

Eine Schwangerschaft an sich ist keine Krankheit. Mit gewissen Ausnahmen besteht die Arbeitspflicht während der Schwangerschaft vollumfänglich weiter. Allerdings kann sich eine werdende Mutter während der Schwangerschaft wegen Beschwerden krankschreiben lassen. Sie ist sodann für eine bestimmte Zeit arbeitsunfähig. Ebenfalls denkbar, in der Praxis aber nicht häufig, ist ein Unfall während der Schwangerschaft, welcher zu einer Arbeitsunfähigkeit führt.

Gemäss Art. 30 Abs. 1 EOV hat eine Mutter, die im Zeitpunkt der Geburt arbeitsunfähig ist oder infolge Arbeitsunfähigkeit die erforderliche Mindesterwerbsdauer nicht erfüllt, Anspruch auf eine Mutterschaftsentschädigung, wenn sie bis zur Geburt des Kindes eine Entschädigung für Erwerbsausfall bei Krankheit oder Unfall einer Sozial- oder Privatversicherung oder ein Taggeld der Invalidenversicherung bezogen hat.

Die Mindestversicherungsdauer muss grundsätzlich auch bei Arbeitsunfähigkeit erfüllt werden. Ebenso muss die Mutter im Zeitpunkt der Geburt weiterhin als Arbeitnehmerin oder Selbständigerwerbende gelten.

Unter einer Entschädigung einer Sozialversicherung versteht man bei Arbeitsunfähigkeit vor allem Taggelder der Kranken-, Unfall- oder Militärversicherung, weiter Taggelder der IV (KS MSE, Rz. 1063). Mitberücksichtigt werden Einstell- und Wartetage (KS MSE, Rz. 1063).

Eine Entschädigung einer Privatversicherung ist beispielsweise ein Taggeld einer Krankentaggeldversicherung, wie sie für L-GAV-unterstellte Arbeitgeber obligatorisch ist. Unerheblich ist, ob der Taggeldbezug an einem Stück stattfindet oder immer wieder durch Perioden mit voller Arbeitsfähigkeit unterbrochen wird (KS MSE, Rz. 1064). Ebenso spielt es keine Rolle, ob die Mutter im Zeitpunkt der Geburt arbeitsfähig oder arbeitsunfähig ist.

Die einzelnen Taggeldperioden werden zusammengezählt und zu den Erwerbsperioden addiert (KS MSE, Rz. 1064). Wichtig ist, dass das Taggeld Lohnersatz darstellt (KS MSE, Rz. 1068). Dies ist bei der Krankentaggeld- und Unfallversicherung praktisch immer der Fall.

Nicht zwingend erforderlich ist das Taggeld-Erfordernis bei selbständigerwerbenden Frauen – ein ärztliches Zeugnis genügt (KS MSE, Rz. 1071). Allerdings muss die Frau bei Geburt weiterhin als Selbständigerwerbende bei der Ausgleichskasse anerkannt sein (KS MSE, Rz. 1071).

4. Sonderbestimmungen bezüglich Arbeitslosigkeit

Ist eine Mutter im Zeitpunkt der Geburt arbeitslos oder erfüllt sie infolge Arbeitslosigkeit die erforderliche Mindesterwerbsdauer von fünf Monaten nicht, hat sie unter zwei Voraussetzungen dennoch Anspruch auf eine Mutterschaftsentschädigung. Sie ist gemäss Art. 29 EOV anspruchsberechtigt, wenn
sie bis zur Geburt ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung bezog; oder am Tag der Geburt die für den Bezug eines Taggeldes nach dem AVIG erforderliche Beitragsdauer erfüllt.

Die auf diesen Artikel anwendbaren Fälle beschränken sich praktisch auf Konstellationen, in denen eine Arbeitsnehmerin von sich aus das Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft gekündigt hat oder bereits vor Schwangerschaft arbeitslos war.

Wie vorstehend bereits erwähnt, darf der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin während der gesamten Schwangerschaft und in den 16 Wochen danach nicht kündigen. Eine vor der Schwangerschaft ausgesprochene Kündigung bleibt zwar gültig, die Wirkung wird jedoch um die gesamte Dauer der Schwangerschaft und der 16 Wochen nach der Geburt aufgeschoben.

Kündigt eine werdende Mutter während der Schwangerschaft selber, werden ihr von der Arbeitslosenversicherung wegen der vermeintlich selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit häufig sogenannte Einstelltage auferlegt. Dies kann dazu führen, dass die vorausgesetzte Mindesterwerbsdauer von fünf Monaten nicht erfüllt werden kann.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass eine Arbeitslosenentschädigung nur bezogen werden kann, wenn innerhalb einer sogenannten Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem Leistungs-bezug eine gewisse Beitragszeit erfüllt ist (Art. 9 Abs. 2 AVIG). Diese Beitragsfrist beträgt zwölf Monate (Art. 13 AVIG). Konkret heisst dies, dass eine arbeitslose, werdende Mutter innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Geburt während 12 Monaten ALV-Beiträge bezahlt haben muss, um eine Mutterschaftsentschädigung zu erhalten.

5. Fazit

Die Regelungen der Mutterschaftsentschädigung sind nicht immer leicht überschaubar, insbesondere mit Blick auf die Sonderbestimmungen bei Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit. Im Zweifel ist der Arbeitgeber daher immer gut beraten, frühzeitig mit der Ausgleichskasse Kontakt aufzunehmen. Da die Sonderbestimmungen ziemlich weitreichend sind, besteht aber insbesondere bei Arbeitsunfähigkeit eine gute Chance, dass die Arbeitnehmerin eine Mutterschaftsentschädigung erhält.

Quelle: Rechtsdienst GastroSuisse


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