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01.08.2024

«Paradoxerweise macht KI die Abläufe menschlicher»

Interview mit dem Cyberlearn-Experten Thomas Steiner

KI ist etwas für IT-Nerds. Spätestens seit der Lancierung von ChatGPT im Herbst 2022 kann man das nicht mehr behaupten. Anwendungen der künstlichen Intelligenz hinterlassen vermehrt Spuren im gastgewerblichen Arbeitsalltag. Werden manche Tools schon bald unverzichtbar?

Prof. Dr. Thomas Steiner ist Dozent an der Fachhochschule Westschweiz und beschäftigt sich schon seit langem mit der Entwicklung der künstlichen Intelligenz. Als ehemaliger Tourismusdirektor von Freiburg und Vorstandsmitglied von Schweiz Tourismus hat er einen Bezug zum Gastgewerbe. Wir unterhielten uns mit ihm darüber, wie Unternehmer am besten vorgehen, um KI erfolgreich einzusetzen.

Herr Steiner, in wenigen Worten: Was ist künstliche Intelligenz?

Die Fähigkeit von Computern und Maschinen, menschenähnliche kognitive Funktionen wie Lernen, Problemlösen und Entscheidungsfindung auszuführen, wird als künstliche Intelligenz bezeichnet. Der Begriff ist irreführend, da diese Objekte keine Subjekte sind und daher nicht wirklich intelligent sein können.

Welche KI-Anwendungen haben im Gastgewerbe bereits eine gewisse Verbreitung gefunden?

Eine Vielzahl von KI-Anwendungen beeinflusst unseren Alltag oft, ohne dass wir es konkret wissen. Wenn ich online ein Zimmer reserviere, kann der Preis durch eine KI bestimmt worden sein, um die Auslastung zu optimieren. Wenn Sie einen Menüplan mit einer Büroanwendung schreiben und der integrierte Assistent Verbesserungsvorschläge macht, steckt KI dahinter. Wenn Ihr Staubsaugerroboter nach Feierabend den Speisesaal säubert, nutzt er einen Algorithmus, um sich um die Tische und Stühle herum zu navigieren.

Welche KI-Tools bieten einem Restaurantbetreiber ohne nennenswertes Vorwissen das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis?

Office-Programme mit den neu integrierten KI-Assistenten, zum Beispiel Copilot bei Microsoft 365. Die KI verschwindet bereits hinter dem Vorhang und macht Ihnen Vorschläge beim Schreiben, Mails beantworten, Präsentationen vorbereiten oder Sitzung zusammenfassen. Wenn Sie direkt mit einer KI chatten wollen, lohnt sich das Entdecken von ChatGPT. Dafür müssen Sie jedoch Zeit investieren, denn das Tool antwortet nur gut, wenn Sie ihm gute Fragen stellen.

Welche Tools finden Sie persönlich besonders spannend?

Kreative Tools zum Zeichnen, wie zum Beispiel Midjourney und seit ein paar Wochen zum Musikmachen, wie zum Beispiel Suno. Ich beherrsche kein Instrument und wenn ich singe, beginnt es normalerweise zu regnen. Mit KI habe ich es innert wenigen Wochen geschafft, drei Musikalben zu schreiben und zu produzieren. Heute höre im Auto meine eigene Musik. Das zeigt das Potenzial von KI für jede und jeden von uns.

Verändern KI-Tools die Betriebsabläufe?

Ja. Wenn KI Ihnen langweilige, wiederkehrende und endlose Arbeiten abnimmt, können Sie die gewonnene Zeit für intelligentere Abläufe einsetzen, näher beim Gast sein oder sich fragen, was man denn sonst noch verbessern könnte. Paradoxerweise macht KI diese Abläufe menschlicher, weil sie den Menschen die unmenschliche Routine abnehmen kann.

Da und dort begegnen uns Reinigungs- oder Abräumroboter. Wie stark werden sich Roboter in der Küche durchsetzen?

Ich bin kein Robotik-Spezialist, sehe aber, dass sich Innovationen in diesem Bereich weniger schnell durchsetzen als im Computerbereich. Das hat wohl einerseits mit dem Preis zu tun. Solange solche Roboter teurer sind als Hilfskräfte über eine oder zwei Saisons, dürfte das Interesse bescheiden bleiben. Andererseits dürfte die Einfachheit der Bedienung und Umprogrammierung eine Rolle spielen. Wenn ich dem Hersteller telefonieren muss, damit der Küchenroboter weniger Salz in die Pasta gibt, dann bleibt die Hemmschwelle hoch.

Wie steht es um die Akzeptanz der Gäste?

Ich persönlich werde mich nicht von einem Roboter bedienen lassen. Ich brauche den menschlichen Kontakt und es geht mir um das Vertrauen. Ich bin seit über zwanzig Jahren in der angewandten KI und werde nie einem Objekt vertrauen. Wenn die Bedienung jedoch mehr Zeit für mich hat, weil Roboter die verlassenen Tische abräumen, oder der Menü-Roboter die Prise Pfeffer auf das Gramm genau trifft, dann finde ich das spannend. Diese Einschätzung ist jedoch subjektiv. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es bereits Gäste gibt, denen das egal ist.

Müssen sich die Mitarbeiter Sorgen machen, dass ihr Arbeitsplatz wegrationalisiert wird?

Ja und nein. Ja, wenn sie einfach warten, bis die KI ihre Arbeit besser macht. Nein, wenn sie lernen, mit diesen Tools umzugehen und sie selbst einsetzen. Die Frage ist nicht, ob KI mir die Arbeit wegnimmt, sondern wie ich meine Arbeit mit KI besser machen kann. Diejenigen, die das begreifen, werden bleiben, weil es immer jemanden brauchen wird, der die KI sinnvoll einsetzen kann.

Können Chatbots helfen, die Zahl der Buchungen auf der Homepage zu erhöhen?

Ja und ich lade Sie dazu ein, es selbst zu testen. Schreiben Sie die Frage «Wie kann ich die Zahl der Buchungen auf meiner folgenden Hotelhomepage erhöhen?» und geben Sie Ihren Link ein. Sie werden überrascht sein!

Generative KI verändert die Art der Internetsuche. Wie können sich Unternehmen darauf einstellen?

Generative KI wird mit Inhalten trainiert. Je besser Ihr Content ist, umso besser werden Sie gefunden werden und umso treffender werden die Antworten sein. Andererseits werden Suchanfragen wie Google-Abfragen ersetzt durch Anfragen in natürlicher Sprache. Sie müssen sich darauf einstellen, dass Ihre Gäste längerfristig nicht mehr via Text mit Ihnen kommunizieren werden. Spannend finde ich den Einsatz von betriebseigenen Assistenten, zum Beispiel auf der Homepage. Oder Menu-Karten, die dem Gast zum Beispiel Allergieinfos in allen erdenklichen Sprachen erklären.

Beflügeln oder töten KI-Tools die Kreativität? Wie bewahren wir die menschliche und emotionale Komponente?

Das ist eine Frage der Delegation und Kontrolle. KI kann basierend auf meinen Ideen in kürzester Zeit mehrere Varianten für ein Bild, ein Lied oder einen Text erzeugen. Solange ich selbst entscheide, welche Variante mir gefällt, finde ich das durchaus beflügelnd und überaus produktiv. Wenn ich der KI aber die Entscheidung überlasse, welches Lied nun ins Album kommt, oder welches Kapitel ins Buch oder welches Bild auf meinen Status, dann habe ich mich selbst abgeschafft. Sie sehen in welchem enormen Spannungsfeld wir uns hier bewegen.

Sehen Sie in der künstlichen Intelligenz auch Risiken?

Ja, und zwar eben bei dieser Frage der Kontrolle. Künstliche Objekte dürfen nicht Subjekte werden und selbst zu handeln beginnen. Ferner sehe ich bei KI-generierten Inhalten eine gewisse Abflachung. Wenn ich unlimitiert Inhalte generieren kann, geht meine Kreativität in die Breite. Damit ist aber die symbolische Tiefe der Inhalte noch nicht gegeben. Denn diese hängt von Emotionen und Empfindungen ab. Da muss KI passen.

Es ist erstaunlich, wie belanglos die Gesellschaft heute mit künstlichen Bildern, Liedern und Texten umgeht. Sogar, wenn sie weiss, dass KI dahintersteckt. Was zählt, ist was gefällt. Um den Prozess, wie es entstanden ist, schert sich kaum mehr jemand.

Wie steht es um den Datenschutz?

Katastrophal. Wir nutzen diese Tools und klicken uns beim Erstgebrauch durch das Kleingeschriebene. Wenn wir dies lesen würden, stellte sich direkt die Frage, ob der Einsatz dieser Tools die gläserne Preisgabe unserer Person wert ist? Angesichts der erstaunlichen Resultate, die wir mit KI erzielen können, bin ich überzeugt, dass eine Mehrheit sogar bewusst zustimmen würde, dass ihre Daten nicht geschützt werden. Das ist ein soziales Phänomen und wir haben dies auch bereits vor KI getan. Wann haben Sie das letzte Mal Kleingeschriebenes von A bis Z durchgelesen?

Zur Person: Thomas Steiner ist Professor an der HES-SO, Leiter von Cyberlearn und Mitglied der KI-Steuerungsgruppe. Er ist Verwaltungsrat in verschiedenen Institutionen und Mitglied des Vorstands von Schweiz Tourismus. Als CEO der immotour GmbH begleitet er strategische und digitale Transitionen. Thomas Steiner verfolgt die Anwendung von künstlicher Intelligenz, seit er vor 25 Jahren an der HEC Lausanne in diesem Bereich promoviert hat. Blog: good-morning.ai

Prof. Dr. Thomas Steiner

Thomas Steiner: «Die Frage ist nicht, ob KI mir die Arbeit wegnimmt, sondern wie ich meine Arbeit mit KI besser machen kann.» Hepp Fotografie


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