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08.05.2010

Augenschmaus - Vom Essen im Stilleben

Ausstellung im Bank Austria Kunstforum

Noch bis zum 30. Mai 2010 zeigt das Bank Austria Kunstforum in Wien die Ausstellung "Augenschmaus – Vom Essen im Stilleben". In ihrem Versprechen umfassender Sinnlichkeit üben Stillleben bis heute, in Zeiten der totalen Verfügbarkeit fast aller Dinge, eine ungebrochene Faszination aus. In der Gegenüberstellung von neunzig Werken aus verschiedenen Kunstlandschaften und Epochen wird die gewandelte Alltagskultur des Essens und Trinkens vom 16. Jahrhundert bis heute thematisiert.

Sechs "Erzählungen" beleuchten die vielfältigen Bedeutungsebenen des Stilllebens: Das Objekt als Subjekt - Die Geburt des Stilllebens; Vanitas – Allegorien von Leben und Tod; Nahrung zwischen Existenzgrundlage und Konsumobjekt; Table/Tableau und der weiblich codierte Raum des Stilllebens; Fleisch und die Grenzen der Darstellbarkeit von Essbarem; und die Jahrhunderte durchziehend: das Stillleben als malerisches Experimentierfeld.

"Kulinarische" Stillleben verkörpern die Ernährungsgewohnheiten, kultischen Rituale und Diskurse aus der Welt ihrer Entstehungszeit, in denen sich gleichermassen existenzielle Grundbedürfnisse wie auch transzendentale Bestrebungen des Menschen widerspiegeln.

Ausgehend von Giuseppe Arcimboldos Kompositköpfen und Pieter Aertsens Küchenstücken wird die simultane Entstehung des Stilllebens südlich und nördlich der Alpen in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts nachvollzogen: Der Wandel vom Beiwerk einer (religiösen) Bilderzählung hin zu einer autonomen Bildgattung, die ihren Fokus auf die illusionistische Darstellung alltäglicher Dinge richtet.

Die Ausstellung verfolgt den spektakulären Höhenflug des Genres im 17. Jahrhundert in ganz Europa, mit einem Schwerpunkt auf den "hyper-realistischen" Stillleben des "Goldenen Zeitalters" der Niederlande: Im prosperierenden Klima der jungen Republik kommt es zur Entstehung eines Kunstmarkts für den privaten bürgerlichen Raum und zu einem regelrechten Bilderboom.

Einzelne Stilllebentypen bilden sich aus, zu sehen sind etwa "Gedeckte Tische" von Willem Claesz. Heda, Dessertstillleben von Clara Peeters, Prunkstillleben von Willem Kalf oder Jagdstücke von Frans Snyders. Der niederländische Terminus stilleven taucht erstmals 1650 auf und bezeichnet ein still gestelltes Objektmodell (still = unbewegt, leven = Modell).

Trotz seiner allgemeinen Beliebtheit wird das Stillleben ab dem 17. Jahrhundert – unter dem Vorwurf des rein Handwerklichen sowie der inhaltlichen Bedeutungslosigkeit – in der akademischen Gattungshierarchie auf die unterste Stufe verwiesen.

Gerade seine Aussenseiterposition im akademischen Kanon hatte zur Folge, dass es zu einem weitgehend "unbehelligten" Ort malerischer Experimente werden konnte, wie im 18. Jahrhundert Jean-Siméon Chardin oder Anne Vallayer-Coster vor Augen führen. Chardins Darstellungen schlichter Alltagsdinge, die sich von der mimetischen Wiedergabe der Realität lösen und das Interesse vom Dargestellten auf die Darstellungsweise verlagern, machen ihn zum zentralen Vorläufer der Malerei der Moderne.

"Der Tag wird kommen, da eine einzige selbständig gemalte Karotte eine gewaltige Revolution verursachen wird", lässt Emile Zola den Maler Lantier in seinem Künstlerroman L'Oeuvre (1886) sagen. Mit Paul Cézanne wird das Stillleben zum experimentellen Medium par excellence – seine Äpfel sind beispielhaft dafür. Im 20. Jahrhundert spielt es eine programmatische Rolle für künstlerische Neuerungen, für die Cézannes autonome Bildschöpfungen den unumgänglichen Ausgangspunkt bilden.

Die Ausstellung führt dies an einem breiten Spektrum von Künstlern vor Augen: Pablo Picasso und Georges Braque, die die kubistische Revolution auf dem "Rücken" der Dinge vollziehen – Vincent van Gogh, Oskar Kokoschka oder Paula Modersohn-Becker; zudem Giorgio Morandi mit seinen meditativen Krügen oder Andy Warhol mit seinen ikonenhaften Suppendosen.

Über Jahrhunderte hinweg galt das Stillleben aufgrund seines Fokus auf die häusliche, "materiell-konkrete" Lebenssphäre als "feminines" Genre. Für viele Malerinnen, denen der Zugang zur Akademie bzw. das Aktstudium versperrt blieb, wurde es zum Reservat privater Kunstausübung, die im Windschatten des öffentlich-repräsentativen Künstlertums stattfand.

Dies macht die Geschichte der Stilllebenmalerei gerade auch zu einer Geschichte der Produktion und Rezeption von Künstlerinnen, wie die Ausstellung erstmals, anhand herausragender Werke von Fede Galizia, Louise Moillon, Clara Peeters, Anne Vallayer-Coster, Berthe Morisot, Paula Modersohn-Becker oder Maria Lassnig, umfassend darstellt.

In den 1970er-Jahren entlarven Künstlerinnen wie Martha Rosler traditionelle Zuschreibungen der Frau als Kochende, Ernährende oder als "kulinarisiertes" Sexualobjekt und demonstrieren, wie das Visuelle an der Konstruktion von Geschlechterdifferenzen beteiligt ist.

Die Transformation der Nahrung vom Sujet der Malerei zum eigentlichen künstlerischen Material setzt in der Eat Art mit Daniel Spoerri oder Dieter Roth ein, die auf eine bedingungslose Verbindung von Kunst und (kulinarischen) Alltagserfahrungen zielt.

Mit ausgewählten Positionen von Zoe Leonard, Damien Hirst, Harun Farocki oder Sam-Taylor Wood werden ausserdem zeitgenössische Ausdrucksformen präsentiert, die sich auf die Stilllebentradition beziehen, aber gleichzeitig aktuelle kulturelle Praktiken und Diskurse rund ums Essen aufnehmen und diese vorantreiben.

Die Publikation zur Ausstellung beweist, dass kunstwissenschaftlicher Anspruch und sinnliche Gaumenfreuden durchaus zusammengehen können: Neben einer fundierten Analyse von Geschichte und Bedeutung sowie einer Aktualisierung des Genres "Stillleben" zeigen die Autorinnen und Autoren spannende Zusammenhänge zwischen Kunst und Esskultur auf. Ein ausführlicher Bildteil wird von Texten, die den Leserinnen und Lesern die einzelnen Erzählstränge der Ausstellung nahebringen, begleitet.

Komplettiert wird der "Augenschmaus" von einer Reihe hochkarätiger Chefs de cuisine: Unter der Schirmherrschaft von Christian Grünwald und Christian Petz haben sich die Starköche Elena und Juan Mari Arzak, Heinz Beck, Jonnie Boer, Leonard Cernko, Marc Haeberlin, Nils Henkel, Johanna Maier, Dieter Müller, Hans Petermann, Christian Petz, Anne Sophie Pic, Heinz Winkler, Eckart Witzigmann und Pierre Wynants von ihren Lieblingsbildern der Ausstellung zu Rezepten inspirieren lassen.

Heike Eipeldauer: Stillleben und der Sinn der Sinne

Heike Eipeldauer, die Kuratorin der Ausstellung, zeigt, dass Nahrung nicht nur im eigentlichen sondern auch im übertragenen Sinn unseren Lebens- und Erfahrungshorizont massgeblich dominiert, nachzuvollziehen anhand der Gattung des Stilllebens. So ist es demnach auch zu einfach, die Darstellung von Lebensmitteln in der Malerei auf eine blosse Alltagswiedergabe zu reduzieren.
Die Darstellung lebloser, natürlicher Dinge – natura morta – galt lange Zeit bestenfalls als künstlerische Fingerübung. Dass dem Stillleben jedoch eine geradezu revolutionäre Kraft innewohnt, da es die vormals hermetische Dualität von Geist und Materie, Sinn und Sinnlichkeit zu sprengen vermag und sich so als malerisches Experimentierfeld entpuppt, beweist dieser Essay.

Norman Bryson: Chardin und der Text des Stilllebens

Norman Bryson, Professor für Kunstgeschichte an der University of California in San Diego, gilt vor allem aufgrund seiner Publikation "Looking at the Overlooked. Four Essays on Still Life Painting" als Cheftheoretiker der Stillleben-Malerei. In seinem Aufsatz Chardin und der Text des Stilllebens, der hier erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt, plädiert er dafür, das Stillleben in seiner Darstellung auch als kulturelles Phänomen zu lesen – so wird der Interpretationsrahmen massgeblich erweitert.

In seinem Spiel mit Illusion und Wirklichkeit, mit Verrätselung und Vertrautheit, fordert das Stillleben eine Loslösung von einer rein ikonografischen Lesart. Der Text des Stilllebens, den Bryson vor allem anhand von Chardin, dem Pionier des modernen Stilllebens, erläutert, kann als Medium der Kritik fungieren; Chardins Stillleben vermitteln eine innerbildliche Balance, die sowohl der Malerei als auch den dargestellten Gegenständen und dem gemeinhin Übersehenen eine Autonomie zugesteht.

Kenneth P. Bendiner: Bilder vom Essen

Bilder vom Essen: der Aufsatz von Kenneth P. Bendiner, der Kunstgeschichte an der Universität von Wisconsin-Milwaukee lehrt und sich vor allem mit der Geschichte "dekorativer" Kunst auseinandersetzt, stellt eine Tour d'horizon durch Historie und Ikonografie des Stilllebens dar.

Der Autor demonstriert die direkte Verfugung von Nahrungsritualen und -darstellungen mit zentralen Themen der Menschheit wie Religion, Medizin und Sozialverhalten. Das Stillleben geriert sich derart als vielfältiges Verweissystem, das uns Aufschluss über die jeweilige Entstehungszeit und ihre Umstände gibt.

Robert Pfaller: Der Genuss, die Philosophie und das Niedrige

Das Essen in seiner philosophischen Bedeutungsdimension exploriert Robert Pfaller, Professor für Philosophie an der Universität für Angewandte Kunst Wien, in seinem Essay. Die Auseinandersetzung mit dem Einfachen, Evidenten und dem "niederen Genuss", die dem Essen anhaftet, hat auch in der Philosophie – ganz ähnlich wie in der Bildenden Kunst – einen schweren Stand.

Gut-Essen und Kochen zählen heute zu den Grundbegriffen des modernen Lifestyles, doch gleichzeitig ist eine latente Genussfeindlichkeit festzustellen. Nicht ohne Ironie konstatiert der Autor die sonderbare Relation, in der sich Genuss und Sucht, Sinn und Unsinn, Dauer und Vergänglichkeit zueinander verhalten. So müssen wir mitunter hart darum kämpfen, dass uns der Appetit nicht vergeht.

Gabriele Sorgo: Die Einverleibung der Welt

Gabriele Sorgo, die als Dozentin an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland lehrt und vor allem zum christlichen Körperbild sowie zu religiösen Aspekten der Warenkultur forscht, begibt sich auf historische Spurensuche und zeichnet Bedarf und Bedürfnisse der Nahrungsmittelbeschaffung und des -konsums präzise nach.

Essen, Essbar-Machen und der Akt der Einverleibung haben auch eine ausgeprägte gesellschaftspolitische Dimension und sind demnach aufs Engste mit unserem Sein und unserer kulturellen Identität verlinkt. Das kulinargeschichtliche Panorama, das die Autorin derart entwirft, befähigt die Leserin und den Leser zu verstehen, dass unser heutiges Überangebot an Nahrungsmitteln dennoch oder gerade deswegen ernste Mangelgefühle produziert.

Zitate

Geht es denn in der Kunst überhaupt um etwas anderes als darum, das wiederzugeben, was man im Bauch hat?
Émile Zola, L'Oeuvre (1886)

Der Tag wird kommen, da eine einzige, selbständig gemalte Karotte eine gewaltige Revolution verursachen wird.
Émile Zola, L'Oeuvre (1886)

Mit einem Apfel werde ich Paris in Staunen versetzen!
Paul Cézanne

Der Satz, dass die gut gemalte Rübe besser sei als die schlecht gemalte Madonna, gehört bereits zum eisernen Bestand der modernen Ästhetik. Aber der Satz ist falsch; er müsste lauten: die gut gemalte Rübe ist ebenso gut wie eine gut gemalte Madonna.
Max Liebermann, Die Phantasie in der Malerei (1904)

Das Stillleben ist der Prüfstein des Malers.
Edouard Manet

Chardin ist der Vermittler gewesen; schon seine Früchte denken nicht mehr an die Tafel, liegen auf den Küchentischen herum und geben nichts darauf, schön gegessen zu sein. Bei Cézanne hört ihre Essbarkeit überhaupt auf, so sehr dinghaft wirken sie, so einfach unvertilgbar in ihrer eigensinnigen Vorhandenheit.
Rainer Maria Rilke in einem Brief (1907) an Clara Rilke-Westhoff

Letzthin sprachen wir vom Rausch, sicher ist alle Kunst auch Rausch – aber disziplinierter Rausch. – Trotzdem lieben wir auch die Champagnerurwälder, die grossen Hummer- und Austernseen und die giftige Pracht der lüsternen Orchideen...
Max Beckmann

Ein Schweinsbraten kommt in der Natur nicht vor!
Peter Kubelka

Dieser eine aufgeklebte Moment ist nur eine Blitzsekunde im Ablauf dieses ganzen Zyklus, der Leben und Tod, Verwesung und Wiedergeburt heisst. So weit gespannt ist dieses Thema, das so protzig "Eat-art" heisst und es gehört dazu der Verfall, aber auch der schöpferische Akt des neu Entstehenden.
Daniel Spoerri

Wenn alle Künste untergeh'n, die edle Kochkunst bleibt besteh'n.
Daniel Spoerri

Nachdem ich gesehen hatte, dass Fäulnis und Verschimmeln fast Ornamente liefern und überraschende Veränderungen abgeben, benutzte ich nichthaltbares Material mehrere Jahre hauptsächlich.
Dieter Roth

Von einem Kunstwerk zu sagen, dass es gut, aber für die meisten Menschen unverständlich ist, ist so, als ob man von einer Speise sagte, dass sie sehr gut sei, die meisten Menschen sie aber nicht essen können.
Graf Leo Nikolajewitsch Tolstoi

Kultur erwirbt man nicht, indem man viel liest, sondern indem man klug liest. Ebenso wird die Gesundheit nicht dadurch bewahrt, dass man viel isst, sondern dass man klug isst.
André Malraux

Die Kunst ist zwar nicht das Brot, aber der Wein des Lebens.
Jean Paul

Die Kunst geht nach Brot.
Gotthold Ephraim Lessing, Emilia Galotti (1772)

Man sagt: Die Kunst geht nach Brot. Aber ich sage: Die Kunst ist selber Brot, eine der Menschheit zu ihren geistigen Bestehen notwendige Nahrung.
Thoma Hans

Die Kunst verhungert, wenn sie nach Brot geht.
André Brie

Die Kunst verhält sich zur Natur wie der Wein zur Traube.
Franz Grillparzer

Der echte Künstler gleicht dem Hausvater im Evangelium, der sein Gastmahl rüstet, ohne zu fragen, was für Gäste sich zu Tisch setzen werden, ohne sich darum zu kümmern, ob sich überhaupt Gäste einfinden und ob er auf ihren Dank rechnen darf.
Wilhelm August Ambros

Der Magen eines gebildeten Menschen hat die besten Eigenschaften eines edlen Herzens: Sensibilität und Dankbarkeit.
Alexander S. Puschkin

Der Mensch ist, was er isst.
Ludwig Feuerbach

Sage mir, was du isst, und ich sage dir wer du bist.
Sprichwort

Stilleben des Schweizers Félix Valloton (1865-1925): Ein Entrecôte auf gelbem Papier.


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