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20.11.2013

Maximieren bis nichts mehr geht

Banken treiben verheerendes Spiel mit ihrer volkswirtschaftlichen Funktion

Die Banken haben ihre volkswirtschaftliche Funktion vergessen. Dass sie sich wieder daran erinnern, ist zu bezweifeln. Ein Beitrag von Peter Grunder.

"Früher war man ein Kunde und wurde wahrgenommen", sagt René Maeder, seit bald 40 Jahren Gastronom und Hotelier in Kandersteg. Als er mit seiner Frau Anne in den 1970er-Jahren das Waldhotel Doldenhorn aufzubauen begann, finanzierte die Regionalbank zu 100 Prozent – damals kein Einzelfall, sondern Standard.

Inzwischen hat das Gastgewerbe praktisch keine Chance mehr auf Kredit – und wenn, dann nur mit absurd hohem Eigenkapital, mit Risikozuschlägen beim Zins und mit knüppelharten Amortisationsbedingungen. Dabei wäre es die ureigenste Aufgabe der Banken, genau solche volkswirtschaftlichen Leistungen zu ermöglichen, wie sie das Gastgewerbe erbringt: Professionelle gastgewerbliche Unternehmen bedienen nicht nur landläufige Zinsen und Amortisationen, sondern schaffen in ihren Betrieben und im Umfeld auch Arbeit vielfältiger Qualifikation – und beschaffen überdies Devisen von ausländischen Gästen.

Tobias Straumann, Wirtschaftshistoriker an der Universität Zürich, ortet die Ursprünge der gewerblichen Kreditklemme namentlich in der Zentralisierung der Kreditvergabe im Zug der Immobilienkrise der 1990er Jahre. Nicht mehr die Verantwortlichen vor Ort fällten fortan die Kreditentscheide, sondern zentrale Stellen mit starren Vorgaben. Dabei hat man laut Straumann "auch branchenspezifische Kriterien eingeführt, die oft nichts mit dem konkreten Fall zu tun haben".

Die Kurswechsel der Banken in der letzten Generation sind so bizarr wie erschreckend: Wer in den 1970er-Jahren ins Gastgewerbe einsteigen wollte und gut qualifiziert war, hatte praktisch ohne Eigenkapital viel Kredit. Wer in den 1980er-Jahren loslegen wollte, wurde gar mit Geld überschüttet – und bezahlte dafür oft bitter in den 1990er-Jahren. Dieselben Banken, die den Unternehmen wenige Jahre zuvor noch unbesehen Geld nachgeworfen hatten, wollten es nun ebenso unbesehen zurück.

Aberhunderte mussten aufgeben, zahllose Betriebe standen still, wurden zwangsverwertet, umgenutzt oder in Schlaufen wechselnder Eigentümer und Betreiber geschickt. In dieser Zeit verabschiedeten sich die Grossbanken von diesen jämmerlichen kleinen Risiken, wandten sich den glitzernden grossen zu – und scheiterten kapital.

Schätzungen gehen davon aus, dass der Abschreibungsbedarf der internationalen Finanzkrise etwa dem entspricht, was die Welt in einem Jahr erarbeitet – gut 70 Billionen Franken. Weil Geld aber immer ein Spiegel von Leistung ist, wenn es etwas wert sein soll, hilft das aktuelle Gelddrucken von Nationalbanken nicht wirklich: Die Zeche bezahlen die Kleinen, darunter das volkswirtschaftlich tragende Gewerbe. Die Folgen der Finanzkrise seien noch lange nicht ausgestanden, sagt denn auch Hans Altherr, erfahrener Finanzpolitiker und Ständerat für Appenzell-Ausserrhoden.

Weit und breit gibt es jedenfalls keine Anzeichen für jene volkswirtschaftliche Vernunft, aus der im 19. Jahrhundert Kantonal-, Regional- und Raiffeisenbanken wuchsen und eine nie gesehene wirtschaftliche Entwicklung. Altherr sieht gar Anzeichen für das Ende von Wachstum im hergebrachten Sinn. Insofern liegt es auf der Hand, dass sich die Unternehmer nach Finanzierungsmöglichkeiten jenseits der Banken umsehen – siehe unten.

Peter Grunder / GastroJournal


Bürgschaft: Ergänzung der Hypothek

Bevor Banken Geld geben, wollen sie Garantien. Garantien, die vier Schweizer Bürgschaftsgenossenschaften übernehmen. Der Bund sichert deren Verlustrisiko bis zu 65 Prozent ab. Seit der Gesetzesrevision im Jahr 2007 hätten sowohl die Gesuche als auch das Volumen an Bürgschaften zugenommen, schreibt die Bürgschaftsgenossenschaft Ost in ihrem Jahresbericht.

Ziel der Bürgschaftsgenossenschaften ist, "entwicklungsfähige Klein- und Mittelunternehmen" die Aufnahme von Bankdarlehen zu erleichtern. Bürgschaften sind also eine Ergänzungsfinanzierung.

Um eine Bürgschaft zu erhalten, müssen die Gesuchsteller ihre Bücher und vieles mehr offenlegen. Der vierseitige Fragebogen will alles genau wissen: Vermögenssituation, persönliche Verhältnisse, finanzielle Vergangenheit, Finanzbedarf, Finanzierung, Businessplan inklusive Planzahlen und vieles mehr.

Die Genossenschaft prüft das Gesuch eingehend, abschliessend entscheidet ein separates Bewilligungsorgan. Rund die Hälfte der Gesuche erfüllt alle Bedingungen und kann bewilligt werden.

Stammgast: Darlehen der anderen Art

"Die Erfahrungen sind hervorragend", sagt René Maeder, mit seiner Frau Anne Gastgeber in Doldenhorn und Ruedihus Kandersteg. Gäste können seit rund vie Jahren Darlehen von jeweils mindestens 10'000 Franken gewähren – und tun dies in beträchtlichem Mass. Der Zins beträgt 5 Prozent, einlösbar in Form von beschränkt gültigen, übertragbaren Konsumationsgutscheinen. Überdies erhalten die Gläubiger 10 Prozent Rabatt auf die gelisteten Zimmerpreise. Und wer sein Geld zurück will, erhält es bei einer Kündigungsfrist von sechs Monaten frühestens nach drei Jahren durch Verrechnung von Ferienaufenthalten oder nach fünf Jahren in Bar. Kündigungen hat es nur vereinzelt und aus spezifischen Gründen gegeben. Aber was abgeflossen ist, liess sich durch neue Darlehen auffangen. "Diese Gäste sind mit dem Haus verbunden", erläutert Maeder, "das ist nur machbar, wenn man über lange Zeit Vertrauen geschaffen hat".

Maeders, die rund 40 Mitarbeitende beschäftigen, brauchen aber auch Banken: Die Beziehung zur Regionalbank ist gut, und die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) ist in den bald vier Jahrzehnten von Maeders Geschäftstätigkeit ebenfalls ein sicherer Wert.

Verbreitet: Crowdfunding

Die einen haben das Geld, die anderen haben die Ideen – das Internet hat komplett neue Möglichkeiten eröffnet, die beiden zusammenzubringen. Crowdfunding heisst das – bestehend aus den Wörtern "crowd" für Menge oder Menschenmasse, und "funding" für Finanzierung.

Die Ideengeber stellen ihr Projekt auf einer Internet-Plattform vor, bestimmen die notwendige Höhe des Betrages und Geldgeber sagen einen freien Beitrag zu – zweckgebunden. Kommt der Betrag in der bestimmten Zeit zusammen, wird das Projekt realisiert und die Darlehen fällig. Erreichen die gesprochenen Gelder nicht die erforderte Höhe, verfällt die Zusage, kein Geld fliesst.

Das Café Apfelgold in Bern hat im letzten Herbst seine Kaffeemaschine mit Crowdfunding finanziert. Von den geforderten 12'000 Franken kamen am Ende 18'000 zusammen. Die Darlehensgeber erhalten für ihr Geld weder Zinsen noch Dividenden, höchstens ein kleines Geschenk. "Ich finde Crowdfunding ideal fürs Gastgewerbe, weil erstens Geld zusammen kommt und gleichzeitig die Geldgeber zu Kunden werden", sagt Inhaber Donat Berger.

Verkannt: Genossenschaft & Co.

Ursprünglich ist die Schweiz eine Genossenschaft. Dem gegenüber pflegt die entsprechende Rechtsform im Gastgewerbe ein sehr zurückgezogenes Dasein und ist häufig als "alternativ" verschrien.

Die Idee der Genossenschaft ist die wirtschaftliche Selbsthilfe. Zu ihrer Gründung braucht es mindestens sieben Mitglieder und kein festes Grundkapital. Die Genossenschafter haften jedoch gemeinsam für das Genossenschaftskapital. Nachteil einer Genossenschaft ist, dass jeder Genossenschafter – unabhängig davon, wie viel Kapital er eingeschossen hat – in jedem Fall gleich viel Stimmrecht hat.

Verkannt wird auch die Kommandit-Gesellschaft. Sie setzt sich zusammen aus mindestens zwei Personen. Der Komplementär haftet mit seinem gesamten Privatvermögen für die Verbindlichkeiten des Unternehmens; er hat im Gegenzug meist auch mehr Stimmrechte. Der Kommanditär fungiert als Geldgeber und haftet nur mit der Summe seiner Einlage in die Gesellschaft. Das Modell wird am ehesten zur Kapitalbeschaffung angewandt, wenn die Geschäftsführung nicht erweitert werden soll.


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