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08.08.2016

In seiner Ganzheit wahrnehmen

Andreas Banholzer über die Waadt, die Alpen und den Jura

Die Städte heben sich ab, die Berge haben Mühe. OTV-Direktor Andreas Banholzer über den Waadtländer Tourismus.

Dynamisch und herzlich: Der Mann entspricht dem Bild jener Tourismuspolitik, die er im Kanton Waadt umsetzt. Andreas Banholzer übernahm 2011 die Direktion des Office du Tourisme du Canton de Vaud – Tourismusverband Genferseegebiet – (OTV). Seine Urner Abstammung war dabei nie ein Hindernis, eher im Gegenteil. Seine Gegenwart bringt dem Waadtländer Tourismus Stabilität.

Wie hat sich das Waadtländer Tourismusmodell in den vergangenen Jahren entwickelt?

Andreas Banholzer: Das Konzept wurde 2011 einer Änderung unterzogen. Zuvor setzten wir auf die grossen Tourismusregionen: die Alpen, den Jura, ländliche Gebiete oder Städte und Seen. Diese räumliche Aufteilung ist meines Erachtens nicht logisch. Ein touristischer Raum wird in seiner Ganzheit wahrgenommen. Oder, anders gesagt, lässt sich ein Tourist während eines Spaziergangs nicht durch eine imaginäre oder politische Grenze beeinflussen. Die Kultur, die Geschichte, der Weintourismus oder gewisse Veranstaltungen liefern Anstösse für einen Besuch, wobei die Letztgenannten je nach Interessen ausgewählt werden.

Wir entschlossen uns also zu einem Paradigmenwechsel und brachten alle Destinationen zusammen, um wichtige Thematiken unserer Region festzulegen. Wir definierten sechs strategische Geschäftsfelder (siehe unten). Zusätzlich bestimmten wir auch Destinationsmarken wie Lausanne oder Montreux sowie touristische Ziele mit einer internationalen Reichweite wie Lavaux, Schloss Chillon oder neu auch "Chaplin’s World". Diese starken Ideen, diese Elemente sind entscheidend, denn sie vermögen Aufmerksamkeit zu erregen.

Bei welchen Besuchenden möchten sie denn Aufmerksamkeit erregen?

Wir konzentrieren uns insgesamt auf 15 Märkte, und jeder davon fühlt sich von etwas anderem angesprochen. Zum Beispiel sind die Chancen, dass ein Deutscher an einem regionalen Festival interessiert ist, sehr klein. Wir versuchen deshalb, die unterschiedlichen Interessen mithilfe von Analysen und Umfragen zu erfassen. Dank den Resultaten können wir definieren, welche strategischen Geschäftsfelder für ein gegebenes Land in den Vordergrund zu stellen sind.

Wie ist es möglich, mit so völlig verschiedenen Thematiken zu jonglieren?

Wir arbeiten viel mit den Destinationen zusammen. Gemeinsam entscheiden wir, welche Bereiche es hervorzuheben gilt, und welche mitfinanziert werden können – wie beispielsweise die Winterkampagne, die durch den OTV, die Waadtländer Alpen und den Waadtländer Jura unterstützt wurde. Wir versuchen Investitionen gemeinsamer Themenbereiche, die früher separat unterstützt wurden, zusammenzulegen. Um eine bessere Sichtbarkeit zu erreichen, müssen wir am selben Strang ziehen.

Zudem legten wir Grundsätze der Unternehmensführung fest und führten einen Marketingausschuss ein. Die Akteure werden jeweils miteinbezogen und die Projekte gemeinsam abgesegnet. Das ist es, was sich in den letzten Jahren stark geändert hat.

2013 entschied sich das Walliser Tourismusbüro zu einer Fusion mit den Industrie-, Handels- und Landwirtschaftskammern. Wäre ein solcher Wandel in der Waadt ebenfalls vorstellbar?

Solche Kooperationen gibt es bereits, insbesondere im Bereich des Weintourismus. Da wird unsere jährliche Kampagne vom Office de Vins Vaudois (OTV) und vom Staat geführt. Bei uns ergeben sich Zusammenarbeiten auf natürliche Weise, je nach Aktivitäten. Deshalb weiss ich nicht, ob es besser ist, alle in einer einzigen Organisation zusammenzufassen oder die natürliche Logik wirken zu lassen.

Die Hotelübernachtungen sind im Kanton steigend. Trotzdem profitieren nicht alle Regionen gleichermassen davon. Im letzten Winter verloren die Waadtländer Alpen 3 Prozent der Übernachtungen.

Das stimmt. Dies ist auf die Aufhebung des Mindestkurses zurückzuführen. Wir haben einen grossen Teil des europäischen Marktes, wie Deutschland und Belgien, eingebüsst. Hingegen ist es uns gelungen, die Russen für uns zu gewinnen. Doch dann kam es in Europa zum Boykott gegen Russland, und die Wirtschaftskrise hindert die Russen am Reisen. Insbesondere die Seilbahnen, die Läden und die Restaurants büssten an Umsatz ein.

Die Touristen kommen zwar, geben aber weniger Geld aus. Dennoch präsentieren sich die Prognosen für den kommenden Winter positiv. Alles hängt vom Wetter ab. Wenn die Schneeverhältnisse gut sind, ist das wunderbar. Falls nicht, stellt sich die Frage, ob die Leute auch weiterhin das Risiko eingehen werden, ein Skigebiet zu besuchen.

Wie können diese Regionen unterstützt werden?

Wir nehmen keinen direkten Einfluss auf das Angebot der Regionen, sie sind dafür selber zuständig. Im letzten Jahr nahm der OTV jedoch an einem aktiven Programm von Schweiz Tourismus teil, mit dem Ziel, einheimische Touristen zu gewinnen. Dieses Konzept konzentrierte sich insbesondere auf Bergregionen und ländliche Gebiete. Wir stellten ein Budget zur Verfügung, um die Regionen, die besonders unter der Frankenstärke leiden, zu unterstützen – damit sie so die Sichtbarkeit ihrer touristischen Kampagne verbessern können.

Wir analysieren, welche Märkte am meisten betroffen sind und wie neue Gäste gewonnen werden können. Folglich investieren wir beispielsweise viel in Deutschland, weil dort Leute kaufkräftig genug sind, um in der Schweiz Ferien zu verbringen. Die Olympischen Jugend-Winterspiele 2020 dürften die Region ebenfalls ankurbeln. Des Weiteren wurde im Rahmen der Strategie "Waadtländer Alpen 2020" eine Finanzierung für diese Regionen gutgeheissen, die eine Neukonzipierung der Beherbergung, der Verkehrsmittel und der touristischen Angebote erlaubt.

Wie stehen Sie zu einer Unterstützung der Seilbahnen durch den Service public?

Das ist eine gute Sache. Früher oder später müssen wir uns mit den Konsequenzen des Klimawandels auseinandersetzen. So kann der Service public gleich zwei Aufgaben wahrnehmen: einerseits diejenigen Infrastrukturen unterstützen, die auch wirklich zur lokalen Wirtschaft beitragen, und andererseits eine langfristige Vision eines veränderten Angebots entwickeln.

70 Prozent des Umsatzes dieser Stationen werden heute im Winter generiert. Für sie wäre es jedoch interessant, auch im Sommer ein besseres Resultat zu erzielen und so auch das saisonale Risiko zu verkleinern. Wir müssen uns heute die Erhaltung der Infrastrukturen, entsprechend den Jahreszeiten, überlegen – und diese nicht erst im Jahr 2030 stellen.

Welche Rolle übernimmt das Waadtländer Gastgewerbe bei der Tourismuspromotion?

Was Hotellerie und Restauration anbelangt, können wir uns wirklich auf die beiden kantonalen Verbände verlassen, auf GastroVaud und die "Association Romande des Hoteliers", die uns finanziell unterstützen. Auch versuchen wir, diejenigen Bereiche, die für den Waadtländer Tourismus äusserst wichtig sind, zu bevorzugen. Denn in diesen Betrieben treffen sich die Menschen, logieren und essen. Sie sind die ¬Visitenkarten.

Sind Sie im Grossen und Ganzen zufrieden oder wartet noch viel Arbeit auf Sie?

In einer 2012 durchgeführten Studie wurde der Empfang als "gut" bezeichnet. Falls Sie ambitiös sind, streben Sie ein "sehr gut" oder ein "ausgezeichnet" an. Sicher, jeder hat schon negative Erfahrungen gemacht, ich auch, und das ist schade. Man muss sich der Wichtigkeit des Empfangs bewusst sein. Die Besucher müssen spüren, dass sie ihr ausgegebenes Geld gut investiert haben.

Die beste Werbeinvestition ist heute die Kundenbindung. Herzlich zu sein und sich erkenntlich zu zeigen, ist ausschlaggebend. Eine gute Idee ist zum Beispiel das Versenden einer Geburtstagskarte. Als Gast ziehe ich diese kleine Aufmerksamkeit einem Rabatt von 20 Prozent vor. In der Schweiz ist man zwar freundlich, doch nicht genug aufmerksam. Es fehlt uns manchmal noch etwas an Galanterie.

Interview: Johanne Stettler / GastroJournal


Die sechs strategischen Geschäftsfelder des OTG
Waadtländer Lebensart
Kultur und Traditionen
Natur, Freizeit und Sport
Veranstaltungen und Festivals
Winterfreuden
Geschäftstourismus

Das Thema Wein spielt im Tourismusmarketing der Waadt eine gewichtige Rolle.


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