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16.09.2019

«Die Ausbildungsstatistiken sind alarmierend!»

Restauranttester Daniel Bumann spricht Klartext

Er ist direkt und bringt Probleme auf den Punkt: Daniel Bumann berät in der 13. Staffel von «Der Restauranttester» des TV-Senders 3+ Gastronomen in den Kantonen ­Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Zürich.

Das ist bereits Ihre 13. Staffel als Restauranttester. Was macht den Erfolg aus?

Daniel Bumann: Das Format ist echt, und es ist weder mir noch den Zuschauern verleidet. Dabei treffe ich meist die gleichen Probleme an: ungenügender Fleiss, mangelnde Ausbildung, fehlende Geldmittel, unrealistische Vorstellungen, falscher Standort. Und trotzdem ist jede Geschichte immer wieder neu, weil stets andere Menschen dahinterstehen.

In welches Restaurant der neuen Staffel würden Sie privat essen gehen?

Im Rusticana in Aathal ZH. Die neuen Besitzer, eine junge türkische Familie, gibt sich richtig Mühe, leidet aber stark unter dem schlechten Ruf des Vorgängers.

Gibt es auch eine schräge Begebenheit?

Ja. Besonders ist jener Betrieb in Basel, der Gerichte unter zehn Franken anbietet, sodass auch Familien im Restaurant essen können. Sozial gesehen eine tolle Idee, wirtschaftlich gesehen Schwachsinn.

Stinkt es Ihnen manchmal, immer wieder schlechte Konzepte und gastronomisch untaugliche Menschen zu sehen?

Nein. Es ist für mich eine Verpflichtung, die Leute ernst zu nehmen und ihnen die Chance zu geben, ihr Problem zu platzieren, und ich versuche zu helfen. Egal, was für ein Betrieb oder Menschen es sind.

Müssen Sie sich manchmal fremdschämen?

Nein. Aber ich stelle fest, dass die Menschen, die wir fachlich betreuen, oft eine gewisse Scham haben. Viele haben Angst, ihre Probleme öffentlich zu machen. In der Schweiz ist man sich dies nicht gewohnt. Das verstehe ich. Aber, wenn es zu spät ist, kann ich auch nicht mehr helfen. In einem frühen Problemstadium wäre dies vielleicht noch möglich gewesen.

Wie viele der Betriebe, die sie coachten, hatten Erfolg?

Diese Statistik gefällt mir nicht. Bei den beinahe 100 Betrieben, die ich bis anhin betreute, sind viele Gastronomen darunter, denen es gut geht und die sogar in die Ferien gehen! Wir machen die Leute nicht schlechter als sie sind – aber auch nicht besser. Wenn eine Situation aussichtslos ist, teile ich dies dem Gastronomen mit. Wenn es vier von zwölf Betrieben schaffen, habe ich einen guten Job gemacht.

Wo kommt diese Naivität her, dass heute so viele eine eigene Beiz wollen?

Weil es ihnen zu leicht gemacht wird! Würde ich sagen ‹Morgen möchte ich im Spital operieren›, weiss ich doch, dass dies illusorisch ist!

Sind die Betriebe heute öfters von Laien geführt als noch vor zehn Jahren?

Nein. Das ist so, seit die politische Situation es ermöglicht, dass jeder einen Betrieb übernehmen kann. Ich plädiere für die Wiedereinführung der Patentpflicht mit massiven Anforderungen. Das würde viele Gastronomen vor dem Scheitern bewahren. Und es käme auch dem Problem des fehlenden Nachwuchses entgegen, da die hohen Anforderungen, welche die Gas­troberufe mit sich bringen, auch so verkauft werden könnten.

Was ist Ihre Einschätzung zum Thema fehlender Nachwuchs?

Da sind wir alle mitschuldig, das Problem wurde nicht früh genug erkannt. Gastroberufe sind im Vergleich mit anderen Berufen in der Wahrnehmung der Jungen zu wenig attraktiv. Die Anerkennung und der Verdienst sind zu tief.

Was wäre die Lösung?

Man könnte schweizweit alle Oberstufenschüler für ein einwöchiges Pflichtpraktikum in Gastronomiebetriebe senden, damit sie die Berufe kennenlernen. Würden danach nur ein paar Prozent von ihnen in die Gastronomie einsteigen, wäre das ein Erfolg. Die Ausbildungsstatistiken in der Gastronomie sind alarmierend!

Auch die Arbeitszeiten sind für viele Junge ein Problem.

Dass der Beruf streng ist und viel abverlangt, können wir nicht eliminieren. Man könnte die Arbeitswoche auf vier Tage reduzieren. Vier Tage hart arbeiten, drei Tage frei – damit lassen sich junge Menschen vielleicht eher motivieren.

Was empfehlen Sie Nachwuchskräften, die die Lehre abgeschlossen haben?

Weiterbilden, weiterbilden, weiterbilden. Es ist sehr hart, Karriere zu machen. Diejenigen, welche den Beruf heute lernen, haben ein Ziel und einen Karriereplan.

Viele springen nach vier oder fünf Berufsjahren trotzdem ab.

Der Fachkräftemangel lässt junge Berufsleute zu früh in Positionen aufsteigen, denen sie nicht gewachsen sind. Sie haben nicht mehr die Zeit sich zu entwickeln. Diese Überforderung lässt sie oft abspringen. Wir können aber nicht über die Jungen klagen. Die ändern sich nicht. Das System muss sich ändern! Wir müssen Lösungen finden, die greifen.

Ein hehres Ziel...

Sie müssen einfach wieder Freude am Beruf bekommen. Ich sage immer: Lieber zwei Stunden mehr arbeiten und Spass daran haben, als weniger arbeiten, mehr verdienen und keine Freude haben.

Vor zwei Jahren schlossen Sie das «Chesa Pirani» in La Punt GR, welches Sie zusammen mit Ihrer Frau Ingrid führten. Fehlt es Ihnen nicht?

Ich hatte das Glück, sehr erfolgreich zu sein. Aber die Doppelbelastung war nicht immer einfach. Ich wollte mich für etwas entscheiden. Und die Chance dieses TV- Format vollberuflich zu machen, überzeugte mich.

Also wird es weitere Staffeln geben?

Ja, sicher. Fernsehen ist eine kurzlebige Sache, aber dieses Format ist so gut verankert und beliebt, da mache ich mir im Moment keine Sorgen. Ich bin sehr glücklich mit diesem neuen Leben.

Haben Sie ein Lieblingsessen?

Ich esse alles gern, wenn es nicht zu viel Kunst ist – Kunst gehört an die Wand. Mir ist der Respekt vor dem Produkt wichtig, und ich muss spüren, dass es liebevoll und mit Herzblut gemacht ist. Manchmal ist weniger mehr.

Daniel Bumann (60) berät seit über zehn Jahren im TV-Format «Bumann der Restauranttester» des Senders 3+ als Experte strauchelnde Gastronomen. Der einstige Kochnati-Olympiasieger und -Weltmeister führte von 1995 bis 2017 mit seiner Frau Ingrid (55) in La Punt GR das mit zwei Michelin-Sternen und 18 Gault-Millau-Punkten dotierte Restaurant «Chesa Pirani». Das Ehepaar lebt in St. Moritz und hat zwei erwachsene Kinder. Wenn der gebürtige Walliser nicht arbeitet, spielt er Golf, kraxelt auf Berge, fährt Ski oder Langlauf.

Interview: Corinne Nusskern / GastroJournal

Daniel Bumann. Bild: 3+


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