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03.06.2020

Mehrwertsteuersenkung für stark betroffene Branchen

Bundesrat mit seltsamen Argumenten dagegen

Der Tessiner SVP-Ständerat Marco Chiesa strebt eine vorübergehende Mehrwertsteuersenkung für Wirtschaftssektoren an, die in starke Schieflage geraten sind. Davon verspricht er sich einen Vertrauensschub und finanzielle Entlastung bei den schwer betroffenen Unternehmen. Der Bundesrat lehnt die Forderung ab, doch seine Argumente überzeugen nicht.

Die Folgen der Corona-Pandemie stellen die Schweizer Wirtschaft auf eine harte Probe. Ständerat Marco Chiesa (SVP/TI) fordert in seiner Motion «Unterstützen wir die unter der Coronakrise leidenden Schweizer Unternehmen» ein stabilisierendes Eingreifen.

«In einigen Kantonen wurden bereits Task-Forces eingesetzt, um den wirtschaftlichen Folgen dieses Virus entgegenzuwirken, so im Tessin für den Bereich des Tourismus», so Chiesa. Das Vertrauen in die Zukunft sei objektiv beeinträchtigt. Es gelte nun, vom wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Standpunkt her ein Zeichen setzen.

«Dank einer Mehrwertsteuer-Befreiung oder einer Reduktion könnten die Preise gesenkt werden», meint Chiesa. Dies würde sich stimulierend auf die Binnennachfrage auswirken. Würden die Preise nicht gesenkt, so stünden der Unternehmerin oder dem Unternehmer Mehreinnahmen für die Bezahlung der Fixkosten und der variablen Kosten zur Verfügung.

Der Bundesrat empfiehlt die Motion leider zur Ablehnung. Seine Argumentation vermag allerdings nicht zu überzeugen. Bei rückläufigen Umsätzen müssten sowieso weniger Mehrwertsteuern abgerechnet werden. Das allein habe schon einen stabilisierenden Effekt. Für eine weitergehende konjunkturelle Stützung seien die Steuern des Bundes wenig geeignet.

Eine Senkung der Mehrwertsteuer könne zwar den Konsum stützen oder die Margen der Unternehmen aufbessern, erzeuge aber zuallererst Aufwand bei den betroffenen Unternehmen, welche die Steuersätze anpassen müssen. Als ob es auch nur einem einzigen Unternehmer etwas ausmachen würde, den Satz nach unten zu korrigieren!

GastroSuisse empfiehlt die Motion Chiesa zur Annahme. «Ohne weitere Entlastung wird das Gastgewerbe von einer Konkurswelle erfasst», schreibt der Verband. Unzählige Unternehmen würden in der Schuldenfalle hängen bleiben.

Im Gastgewerbe sind rund 27‘000 Unternehmen mehrwertsteuerpflichtig. Sie tragen eine Netto-Steuerforderung von 941.7 Millionen Franken (2017). Im Gegensatz zu anderen Dienstleistungsbranchen gilt für die Gastronomie der Normalsatz von 7.7 Prozent.

Deutschland macht es vor und senkt die Mehrwertsteuern für die Gastronomie per 1. Juli 2020 von 19 auf 7 Prozent. Das ist äusserst effektiv, können doch leidende Branchen gezielt entlastet werden. Die Unterstützung kommt dort an, wo sie am meisten benötigt wird. Das Instrument wirkt zudem nicht wettbewerbsverzerrend: So profitieren Unternehmen unabhängig davon, ob sie Covid-Überbrückungskredite erhalten haben.

Motion von Esther Friedli

In eine ähnliche Richtung wie die Motion Chiesa zielt ein Vorstoss der St. Galler SVP-Nationalrätin Esther Friedli, die im Toggenburg mit ihrem Partner Toni Brunner wirtet. Ihre Motion «Mehrwertsteuererlass oder Mehrwertsteuerreduktion für vom Bundesrat geschlossene Betriebe» verlangt, dass die vom Bundesrat durch die Corona-Pandemie geschlossenen Betriebe 12 Monate nach Wiederaufnahme des Betriebes einen Erlass oder eine Reduktion der Mehrwertsteuer auf ihre Umsätze erhalten.

Friedli argumentiert nicht nur mit dem Umsatzausfall während des Lockdowns, sondern auch mit dem Mehraufwand und Minderertrag, den die Betriebe seit 11. Mai haben. «Anstatt die Unternehmen mit finanziellen Mitteln aus dem Staatshaushalt zu unterstützen, sollte man besser die Unternehmen finanziell entlasten», schreibt Friedli. «Damit bleibt in den Unternehmen mehr Liquidität, Arbeitsplätze werden erhalten, Investitionen getätigt und Wertschöpfung generiert.»

Die Bundesverfassung sieht in Bezug auf die Mehrwertsteuer in Artikel 130 eine «Kann-Formulierung» vor. Daher sollen die vom Bundesrat geschlossenen Betriebe 12 Monate seit der Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit (ab 27. April 2020 oder später) keinen oder einen tieferen Mehrwertsteuersatz entrichten müssen.

Der Bundesrat hat zur Motion Friedli noch keine Stellung genommen. Wer jedoch die Argumente liest, die die Regierung gegen die Motion Chiesa ins Feld führt, wird sich nicht viel Hoffnung machen. Umso wichtiger ist es, dass das Parlament nun einen eigenen Weg einschlägt.

Marco Chiesa

Der Tessiner Ständerat Marco Chiesa setzt sich für die Tourismusbranche ein. marcochiesa.ch


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