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27.07.2015

Vegane Ernährung: Von der Lust aufs Verzichten

In den Medien ein grosses Thema, in der Realität noch eine Nische

Glaubt man der medialen Berichterstattung, so steigt die Nachfrage für fleischlose Gerichte enorm. Is(s)t die Zukunft "vegan?

Veganer Rahm auf Sojabasis, ein vegetarischer Hackbraten aus Linsen, Kuchen, der ganz ohne Milch und Eier auskommt... Die Möglichkeiten, sich ohne tierische Produkte zu ernähren, haben in den letzten Jahren stark zugenommen.

Gleichzeitig hat sich das Bild der vegetarischen Ernährung geändert: "Vegis" werden nicht mehr als Körnlipicker verunglimpft, sondern gehören einer Bewegung an, die sich für Umwelt, Tierethik und Gesundheit interessiert.

Heute haben die Menschen mehr Informationsmöglichkeiten und interessieren sich für die Produktionsbedingungen sowie die Folgen ihrer Ernährung. Dem trägt auch die Gastronomie Rechnung: Fast jedes Restaurant bietet mittlerweile fleischlose Gerichte an.

Vegan hat sich im Unterschied zu vegetarisch noch nicht durchgesetzt: Der komplette Verzicht auf tierische Produkte wie Milch und Honig ist in einem Käseland wie der Schweiz fast undenkbar. Entsprechend schwierig ist es für Gäste, im Restaurant eine vegane Option zu finden.

"Vegan wird in den Medien heiss diskutiert, ist aber in der Realität eine Nische", meint Marcel Portmann, Leiter Geschäftsbereich Marketing & Kommunikation bei Proviande. "In der Schweiz essen rund 96 Prozent der Menschen Fleisch, an dieser Zahl hat sich in den letzten Jahren nichts verändert".

Das deckt sich mit Einschätzungen der Schweizerischen Vereinigung für Vegetarismus, die in der Schweiz von 3 Prozent Vegetariern und 1 Prozent Veganern ausgeht.

Portmann ist dennoch überzeugt, dass vegan sich auf kleinem Niveau etablieren wird: "Es ist eine zusätzliche Ernährungsweise und für viele ein spannendes Erlebnis. Der eine oder andere Gastronom wird sich sicher damit profilieren können – vielleicht nicht auf dem Land, aber in der Stadt."

In Basel wird bereits auf die Nachfrage eingegangen: So bietet etwa die Uni-Mensa zwei vegetarische Menüs sowie wöchentlich eine vegane Option an. Das zuständige Catering-Unternehmen SV Group geht damit nicht nur auf Wünsche der Studierenden ein, sondern möchte generell klimafreundlichere Gerichte anbieten.

Jens Hermes, Chemiker und ehemaliger Doktorand an der Uni Basel, hat sich mit seinem eigenen veganen Burger-Food Truck "Captain Plant" selbständig gemacht: "Ich war früher ein grosser Burger-Fan, ernähre mich aber aus sozialen und ökologischen Gründen seit 2012 vegan. Weil es damals in der Schweiz kaum gesunde, vegane Burger gab, habe ich meinen eigenen konzipiert."

Am Anfang hätten manche Gäste kritisch reagiert und einen fleischlosen Burger gar nicht erst probieren wollen. Jetzt stosse das Angebot auf viel Interesse und Neugier der Gäste, die dafür manchmal sogar aus dem Umland anreisen. "Es kommt sehr viel zurück", meint Hermes. "Die Leute merken, dass vegan keinen Verzicht darstellt und sogar sehr viel abwechslungsreicher als ein Fleischgericht sein kann."

Eine Aussage, die Rolf Kälin und seine Küchenbrigade im Restaurant Gersag in Emmenbrücke bestätigen. Der Betrieb hatte sich schon länger mit dem Verzicht auf tierische Produkte befasst und die Küche im Frühling 2014 auf vegan umgestellt. "Wir haben es als Trend erkannt und hatten das Glück, dass unsere Köche sehr offen und interessiert waren", erklärt Kälin. "Vegan macht von der Philosophie her Sinn, und wir haben seither sehr viel positives Feedback erhalten."

Ganz fleischlos ist der Betrieb aber nicht: Mittags gibt es ein veganes Menü und eins mit Fleisch, wobei beide Optionen mit rund 20 Franken gleich viel kosten. "Da wir hochwertige Zutaten nutzen, ist vegan bei uns nicht günstiger", erklärt der begleitende Gastronomieberater und Projektleiter Sven Eltzschig.

Die hohen Einkaufspreise thematisiert auch Hermes: "Wir achten auf die Herkunft der Zutaten und kaufen hauptsächlich von kleinen Produzenten und wo möglich Fairtrade ein. Damit ist es zwar schwieriger, Gewinn zu machen, aber für uns gilt ganz oder gar nicht."

Wer vegetarische Gerichte anbietet, profitiert nicht unbedingt umsatzmässig, dafür von der Sympathie der Gäste. Das zeigt das Beispiel von McDonald's: Die Kette hatte 2008 den Vegi-Burger von der Karte genommen, weil er sich nicht gut verkaufte. Der Entscheid wurde jedoch schnell rückgängig gemacht, da es hierfür "riesige Kritik" gab. Eine vegetarische Option ist für Gäste entscheidend – auch wenn sie diese nicht oft bestellen.

Mittlerweile ist der fleischlose Genuss auch in der Spitzenküche angekommen: Die Zürcher Restaurants Equi-Table und Maison Manesse bieten vegetarische Gourmetmenüs an, der St. Galler Molekularkoch Rolf Caviezel vegane Kochkurse. Rolf Kölin vom Restaurant Gersag ist überzeugt: "Vegan ist ein wachsender Trend und wird sich aus dem Schatten der Fleischküche lösen."

Cristina Bürgi / GastroJournal


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