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19.01.2018
Hummer und Co: das Verschwinden des Nutztieres
Die Menschen haben zunehmend Mühe mit dem Fleischlichen
Der Bundesrat verbietet per Anfang März den traditionellen Umgang mit Hummer, hat aber noch keine konkreten Vorstellungen für den richtigen Umgang in der Praxis. Das Verbot steht in einem grösseren Zusammenhang, der die Vorstellung vom Nutztier hinterfragt.
Er gebe seinem Vieh keine Namen, sagt der Landwirt, der sein Fleisch direkt vermarktet: «Das sind Nutztiere.» Indes falle ihm in den letzten Jahren zunehmend auf, wie viele Mühe hätten mit der Vorstellung von Nutztieren. Sogar in der Familie gebe es Diskussionen über das Töten von Tieren und den Verzehr von Fleisch.
In seiner Menschheitsgeschichte der Gewalt zeigt der Evolutionspsychologe Steven Pinker, wie schnell sich gesellschaftliche Haltungen so verändern können, dass bald unvorstellbar ist, wie es jemals anders hat sein können. Das Gastgewerbe kennt das aus eigener, mehrfacher Erfahrung: Wie war das mit dem Rauchen? Und wie mit dem Alkohol? Das bundesrätliche Verbot, Hummer auf Eis oder in Eiswasser zu transportieren und sie ohne Betäubung zu töten, gehört in diesen Zusammenhang.
Insofern ist das Gastgewerbe gut beraten, sich auf radikale Entwicklungen einzustellen und von der Politik nichts zu erwarten ausser Unverständnis und Schikanen. «Das kann schockieren», sagte mit Blick auf den traditionellen Umgang mit Hummer Frédéric Gisiger von der Genfer Brasserie Lipp letzte Woche im Westschweizer Fernsehen – und brachte den Konflikt auf den Punkt: Es gehe darum, «ein möglichst frisches Produkt anzubieten».
GastroSuisse wiederum bearbeitet das Dossier schon lange, war aber überrascht vom radikalen Entscheid: Der Bund habe die Forderungen der Branche «grossflächig ignoriert», stellt Romeo Oliveras vom wirtschaftspolitischen Dienst von GastroSuisse klar, gefordert hatte der Verband etwa Präzisierungen und Übergangsfristen.
Auf die politische Ebene hebt es Casimir Platzer, Gastgeber in Kandersteg und Präsident von GastroSuisse: «Wir nehmen oft gesetzliche Regelungen aus dem Ausland auf, denen wir einen schärferen Finish geben. Dies mit der Konsequenz, die Produkte zu verteuern und gegenüber dem Ausland weniger konkurrenzfähig zu werden.»
Das richtige Vorgehen ist noch nicht ganz klar
Einerseits sei damit zu rechnen, «dass die Produkte teurer und schwieriger zu beschaffen sein werden», sagt Muriel Hauser, Gastgeberin in Freiburg, Präsidentin von GastroFribourg und Vorstandsmitglied von GastroSuisse: «Das wird letztlich auch hier den Einkaufstourismus fördern.» Andererseits müssten die Restaurateure doch «wissen, wie sie damit umgehen sollen und was die Konsequenzen sind», fordert Hauser. Ihr Eindruck sei, «dass die Politik Regeln aufstellt, ohne sich über die Folgen im Klaren zu sein». In der Tat gibt es nach dem Verbot des Bundesrates noch Unklarheiten darüber, wie Panzerkrebse künftig genau transportiert und wie genau sie betäubt oder erschlagen werden dürfen (siehe Kasten unten). GastroSuisse bleibt dran und wird die genehmen Verfahren kommunizieren.
Aus dem Bundesrat und dem Bundesamt
Er habe «verschiedene Anpassungen in Verordnungen im Veterinärbereich beschlossen», teilte der Bundesrat letzte Woche mit, damit wolle er «insbesondere den schonenden Umgang mit Tieren fördern». Hinsichtlich Hummer verabschiedete der Bundesrat Folgendes: «Lebende Panzerkrebse, darunter auch der Hummer, dürfen nicht mehr auf Eis oder in Eiswasser transportiert werden. Im Wasser lebende Arten müssen neu immer in ihrem natürlichen Milieu gehalten werden. Neu müssen Panzerkrebse betäubt werden, bevor man sie tötet. Das in der Gastronomie übliche Eintauchen nicht betäubter Hummer in siedendes Wasser ist somit nicht länger zulässig.»
Die neue Verordnung tritt Anfang März in Kraft, die Umsetzung begleitet das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV.
Peter Grunder / GastroJournal
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Dossier: Verbotswahn
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