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29.01.2018
Am Anfang stand ein Buch
Wie das Skifahren zum Schweizer Volkssport wurde
Polarforscher Fridtjof Nansen und ein gefitzter Glarner standen Pate: Vor 125 Jahren schlug die Geburtsstunde des Skisports in der Schweiz. Das Land wurde zur gefragtesten Skidestination, Skifahren zur patriotischen Pflicht.
sda. Die Wiege des organisierten Skifahrens in der Schweiz steht nicht inmitten von Viertausendern und ewigem Schnee, sondern am Fuss des Vorderglärnisch in den Glarner Voralpen. Gleich drei Ereignisse prägten dort 1893 die Sportgeschichte: der erste Skiwettlauf, die Gründung des ersten Skiclubs und die Eröffnung der ersten Skifabrik.
Alles beginnt damit, dass Christoph Iselin, ein junger Kaufmann aus Glarus, 1891 Fridtjof Nansens Buch «Auf Schneeschuhen durch Grönland» in die Hände bekommt. Darin beschreibt der norwegische Polarforscher, wie er 1888 die weltgrösste Insel in 46 Tagen auf Skis durchquerte.
Anders als in Skandinavien, wo sich Jäger und Sammler schon in der Steinzeit auf Skis fortbewegten, ist das Sportgerät in den Alpen noch weitgehend unbekannt. Fasziniert von den Schilderungen Nansens, zimmert sich der 22-jährige Glarner selber ein Paar Bretter.
Aus Angst, sich lächerlich zu machen, wagt er sich nur bei Nacht und Nebel in den Schnee. Die Versuche scheitern offenbar am Material. Über Olaf Kjelsberg, einen Ingenieur bei der Lokomotiven- und Maschinenfabrik in Winterthur, beschafft sich Iselin Serienskis aus norwegischer Produktion.
Am 29. Januar 1893 organisiert Iselin mit dem Norweger einen Wettlauf über den Pragelpass. Die Tour soll Klarheit über die «praktische Verwendbarkeit der norwegischen Schneeschuhe» in den Alpen bringen, wie einer der Teilnehmer im damaligen «Winterthurer Tagblatt» schreibt.
Ski kontra «Schneereifen»
Fazit der Pioniere: Der norwegische Ski ist dem geflochtenen «Schneereifen» der Innerschweizer Bergbauern klar überlegen. Nicht in Gebirgsverhältnissen, wohl aber in den Voralpen werde das «neue Verkehrsmittel» grosse Vorteile bieten.
Schon im folgenden November gründet Iselin den Skiclub Glarus. Im selben Jahr eröffnet der Glarner Schreinermeister Melchior Jakober eine Skifabrik und legt damit den Grundstein für einen viele Jahre erfolgreichen Industriezweig, der so bekannte Marken wie Authier, Attenhofer und Schwendener hervorbrachte.
Anfang 1902 streiten sich die Skiclubs von Glarus und Bern um das erste Skirennen. Die Glarner halten zwar wie geplant an der Austragung fest, überlassen aber schliesslich den Titel «1. Schweizerisches Skirennen» dem Wettkampf auf dem Berner Gurten.
1904 schliessen sich auf Initiative Iselins 15 Clubs mit bereits 700 Mitgliedern zum Schweizerischen Skiverband (SSV, heute Swiss-Ski) zusammen. Im selben Jahr stieben auch die ersten Frauen in langen Röcken über die Rennpisten. Im SSV dauert es noch ein Vierteljahrhundert, bis auch weibliche Mitglieder willkommen sind.
Auf dem Weg zum Breitensport
Immer mehr Stationen entdecken das wirtschaftliche Potential der Wintergäste – sehr zum Missfallen der Glarner: «Es dauerte nicht lange, bis die sogenannten Winterkurorte den Skisport, wie er in Glarus betrieben wurde, missbrauchten, um durch und mit ihm Reklame zu machen», bedauert der Skiclub 1928 in einer Jubiläumsschrift.
1911 beginnt der SSV mit der Gratisabgabe von Skis an Kinder aus ärmeren Familien. 1917 werden die Angehörigen der Gebirgstruppen mit Skis ausgerüstet und tragen mit den Skischulen (ab 1929) zur Verbreitung der Skikunst bei.
Die Erfindung des Bügellifts ebnet dem Skifahren definitiv den Weg zum Breitensport. Der Zürcher Ingenieur Ernst Gustav Constam entwickelt eine Schleppseilanlage mit Förderseil und eröffnet 1934 am Bolgen in Davos den ersten «Ski-Aufzug» der Welt.
Das ganze Volk fährt Ski
Im Zweiten Weltkrieg bleiben die ausländischen Gäste weg. Einheimische sollen die Lücke füllen, Skifahren wird zum Dienst am Vaterland erklärt. «Das ganze Volk fährt Ski», verkünden Plakate. Für die Jugend gibt es Skilager und Gratiskurse unter dem Motto «Gesunde Jugend, wehrkräftiges Volk».
Die Olympischen Winterspiele 1948 in St. Moritz, die zweiten im Engadin nach 1928 – läuten den Skiboom der Nachkriegsjahre ein. Die Schweiz etabliert sich als führende Skination. «Alles fährt Ski, ... Ski fährt die ganze Nation», bringt es Schlagerstar Vico Torriani 1963 auf den Punkt.
Einen Höhepunkt erreicht die Skibegeisterung 1972. Die Olympischen Winterspiele in Japan gehen als «goldene Tage von Sapporo» in die Schweizer Sportgeschichte ein. Der Mitgliederbestand des SSV überschreitet die 100'000er Grenze.
In den Jubel mischt sich aber auch zunehmend Kritik: Rodungen und Pistenplanierungen, Appartementburgen und Abgaswolken gehören neben der einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit der Bergtäler zu den Kehrseiten des Skirummels.
Skifahren bekommt Konkurrenz
Auch heute noch fährt über ein Drittel der Bevölkerung Ski, wie eine Umfrage des Bundes 2014 ergab. Nur tun es die Menschen immer seltener. Billigreisen und neue Freizeitangebote haben sich als Alternativen etabliert, und die Jugend lässt sich immer schwerer für den Schneesport begeistern.
Seit 1992/93 hat die Zahl der Skifahrertage in den Schweizer Skigebieten um 37 Prozent auf 21.2 Millionen in der Saison 2016/17 abgenommen. Und trotz den aktuell guten Schneeverhältnissen bleiben die Aussichten getrübt: Gemäss einer Studie von Credit Suisse wird wegen des Klimawandels 2035 nur noch etwa ein Drittel der Skigebiete schneesicher sein.
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Dossiers: Bergbahnen | Geschichte
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