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23.07.2019
«Fairness ist die Grundlage einer gesunden Wirtschaftspolitik»
Interview mit Nationalratskandidat Mustafa Atici
Der Cateringunternehmer Mustafa Atici (50) kandidiert auf der SP-Liste für den Nationalrat. Zu seinen Kernthemen gehören die Bildungspolitik, die KMU-Wirtschaft und die Integration.
Mustafa Atici ist 1969 in der Türkei geboren. Der alevitische Kurde ist verheiratet und hat zwei Kinder. Von 2005 bis 2019 sass er im Grossen Rat. Geschäftlich ist Atici als selbständiger Berater und Unternehmer im Bereich Lebensmittel und Catering tätig, unter anderem im Fussballstadion St. Jakob-Park.
Weshalb wollen Sie Nationalrat werden?
Ich möchte mich auf der nationalen Ebene für kleine und mittlere Unternehmen einsetzen und bringe meine Erfahrung ein. Zudem ist es doch so, dass auch wenn über die Interessen und Bedürfnisse von KMU gesprochen wird, die Vertreter der grossen Unternehmungen mehr Gewicht haben. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass in diesen Diskussionen die Ideologie der Parteien den Kurs bestimmt.
Die SP steht für mehr Umverteilung, Verbote und Bürokratie…
Die Interessen der KMU-Wirtschaft haben mit mir auch in der SP eine Stimme. Mit guten Argumenten verschaffe ich mir durchaus Gehör. Die SP will nicht mehr Verbote oder Bürokratie als andere Parteien. Aber, eine gesunde Wirtschaftspolitik kann nur auf dem Boden von Fairness funktionieren. Konkret heisst das: faire Arbeitsbedingungen, attraktive und familienfreundliche Teilzeitmodelle, gleiche Startchancen, nachhaltige Produkte. KMU sind attraktive und wichtige Arbeitgeber, sie sollen dies auch bleiben.
Sie beschäftigen sich stark mit Integrationsthemen. Warum?
Ich kam als Immigrant hierher und habe mit der Integration unterschiedliche, für mich letztlich vorwiegend positive Erfahrungen gemacht. Doch zu Beginn war es nicht einfach. Wirklich integriert fühlte ich mich erst, nachdem ich die deutsche Sprache erlernt hatte. Die Sprache ist der Schlüssel! Ich möchte auf der politischen Ebene zur Integration anderer beitragen.
Welche Rezepte empfehlen Sie?
Ich bin ein Anhänger der kantonalen Vorgabe «fordern und fördern». Für mich steht fest, dass wir nur gemeinsam die Zukunft positiv beeinflussen werden. Alle Jugendlichen in diesem Land brauchen gute Bildungsmöglichkeiten, unabhängig von ihrem Elternhaus. Perspektiven zu bieten, das ist unsere Hauptaufgabe!
Mangelhafte Sprachkenntnisse, weil zuhause die Unterstützung fehlt, können überwunden werden. Hier muss das Schulsystem ausreichend unterstützen und eingreifen. Es braucht Spielgruppen mit Sprachförderung. So gehen uns die Lehrlinge nicht aus und junge Menschen werden im Berufsleben erfolgreich sein. Dann werden sich viele der sogenannten Integrationsprobleme von allein lösen.
Anerkennen Sie, dass es echte Integrationsprobleme gibt?
Es bringt nichts, die Dinge schönzureden. Ich plädiere aber dafür, die Aspekte Asyl und Kriminalität separat zu thematisieren. Die Schweiz ist für ihre weitere Entwicklung auf den positiven Beitrag von Migrantinnen und Migranten angewiesen. Ihre Kinder sind ein Teil der Zukunft unserer Gesellschaft.
Weshalb engagieren Sie sich in der Bildungspolitik?
Es gehört zu den Aufgaben eines Staates, sich dafür einzusetzen, dass alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Chancen auf Bildung und Weiterbildung haben. Sobald die Chancengleichheit gewährleistet ist, zählt die Leistung.
Schulabgängern fehlt es of an grundlegenden Kenntnissen. Versagt unser System?
Forschungsergebnisse zeigen, dass 63% der Eltern ihre Kinder in die Nachhilfe schicken. Es sind vor allem Kinder aus begüterten Familien, die eine besondere Förderung erhalten. Wenn der Schulerfolg vom Geldbeutel abhängig ist, bedroht das die Chancengleichheit. Tagesschulen wären hier eine Lösung. Zudem müssen wir den individuellen Lernbedürfnissen noch mehr gerecht werden.
Was werden Sie in Bern bewirken?
Ganz generell werde ich in der SP-Fraktion meine Erfahrungen als Unternehmer einbringen. Mehr Bodenhaftung tut auch uns gut. Ich verstehe mich als Vertreter der kleinen Unternehmen und der vielen Migranten in diesem Land. Wirtschaft, Bildung und Migration können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Im guten Zusammenspiel dieser drei Bereiche liegt für die Schweiz nach wie vor das Zukunftspotential.
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