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06.06.2020
Die Normalität nach Corona
Ein Blick in die Kristallkugel
Wie sieht das Gastgewerbe aus, wenn der ganze Corona-Spuk einmal vorbei ist? Werden Einzelbetriebe stärker unter die Räder kommen als die finanzstarken Gruppen? Führt die Krise zu dauerhaften Änderungen des Gästeverhaltens? Wird die Pandemieerfahrung die Ernährungsweise verändern? Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt? Sinken jetzt endlich die Mieten?
Machen wir uns keine Illusionen: Ein beträchtlicher Teil der gastgewerblichen Unternehmen überlebt diese Krise nicht. Ob nur Restaurants vom Markt verschwinden, die schon zuvor ertragsschwach waren, ist keineswegs sicher. Auch dynamische Unternehmen, die in den letzten Jahren viel investierten, sind gefährdet. Es wird zu Übernahmen kommen, wobei vor allem frequenzstarke Standorte und hübsche Lokale gefragt sein werden.
Die Zahl der gastgewerblichen Betriebsstätten wird sinken. In manchen Fällen werden Lokale nach einem Leerstand von anderen Betreibern neu eröffnet, ist doch die gastronomische Infrastruktur vorhanden. Die irreversiblen Investitionen in Küchen, Kühlräume, Buffets, Lüftungen, Toilettenanlagen und Gastro-Mobiliar sprechen dafür, dass nicht alle Restaurants umgenutzt werden. Ein intensives Nachdenken über die Zukunft drängt sich dennoch auf. Die Weichen müssen gestellt werden.
Neue Mietmodelle
Bei Umbauten wird vermehrt auf die Tauglichkeit für Take-Away-Verkäufe und Abholzonen für Lieferfahrer geachtet. Betriebssicherheit und Hygiene werden noch wichtiger als sie es eh schon waren. Die Spender für Desinfektionsmittel beim Eingang und auf den Gästetoiletten werden nicht verschwinden.
Weder die Gastronomie noch der Detailhandel können die hohen Mieten in den Schweizer Städten erwirtschaften. Manche Geschäfte werden leer stehen. Gleichzeitig nimmt die Nachfrage nach Büroflächen ab. Die Geschäftsmieten an guten Lagen werden sinken. Sie waren schon vor der Corona-Krise unter Druck. Die Vermieter erhalten jetzt einen Anreiz, neue Mietzinsmodelle auszuprobieren, die zwar tiefe Garantiesummen vorsehen, dafür aber Beteiligungen am Erfolg der Betreiber.
In Krisen lieber das Vertraute
Wie sieht es mit der Ernährung aus? Bevor wir den unkontrollierten Wildtiergenuss der Chinesen verurteilen, sollten wir unsere Massentierhaltung kritisch hinterfragen. Tierschutz soll kein Luxus sein: Immer mehr Konsumenten werden dies einfordern, bei weitem nicht alle aber sind bereit, dafür die erforderlichen Preise zu bezahlen.
Pflanzliche Nahrungsmittel und das clevere Verwerten von günstigen Fleischstücken gewinnen an Bedeutung. In Wirtschaftskrisen suchen die Konsumenten eher das Vertraute: Comfort Food wie Pizza, Pasta, Schnitzel und Burger werden Bestseller bleiben.
Die Skepsis gegenüber einer überbordenden Globalisierung, störungsanfällige Lieferketten und die Suche nach Identität werden den Trend zu regionalen Produkten verstärken. Vor allem im oberen Mittelfeld wird die Zusammenarbeit mit Bauern und lokalen Produzenten zum Standard. Restaurants mit ethnisch geprägten Küchen werden jedoch weiterhin gefragt sein, suchen doch viele Gäste intensive Geschmackserlebnisse und kurze Ferien vom Alltag.
Einfach ein paar Tiefkühl-Nuggets in die Fritteuse zu knallen, wird nicht einmal mehr bei Imbisslokalen genügen. Eine starke Wirtschaftskrise wird aber dazu führen, dass Betriebe im unteren Preissegment Zulauf erhalten. Auch Bäcker, Supermärkte, Kioske und Convenience-Stores werden sich ihr Stück am Ausserhaus-Markt nicht wegnehmen lassen.
Zwar zeigte die aufstrebenden Fast-Casual-Restaurants vor der Krise klar, dass schnell und günstig nicht mehr genügt. Die erste Fast-Food-Generation wurde erwachsen und verlangt nach Werten wie Nachhaltigkeit, Gesundheit und Schönheit.
Unklar ist, ob gehobene Schnellverpflegungslokale von einer anhaltenden Rezession profitieren können, indem sie dem Casual-Dining-Segment Gäste abjagen. Zwar wird es vor allem am Abend und am Wochenende nach wie vor das Bedürfnis geben, in lockerer Atmosphäre einige fröhliche Stunden im Restaurant zu verbringen, doch nachwachsende Generationen haben weniger Mühe mit Selbstbedienung, wenn die Atmosphäre stimmt.
Streben nach Produktivität
Der Lieferkanal und das Mitnahmegeschäft werden durch die Krise gestärkt und zum Teil auf ein neues Qualitätsniveau gebracht. Take-Away und Delivery werden endgültig auch von konventionellen Gaststätten als zusätzliche Absatzkanäle genutzt – sogar im gehobenen Segment. In den Agglomerationen und entlang der wichtigen Verkehrsachsen werden vermehrt Drive-Thrus entstehen, neu auch mit Express-Spuren für App-Nutzer.
Schwer vorauszusagen ist die Entwicklung des gastgewerblichen Arbeitsmarkts. Eine hohe Arbeitslosigkeit in der Schweiz und der EU wird vor allem bei Hilfskräften auf die Löhne drücken. Viele Unternehmen setzen dennoch lieber auf erfahrene, treue Mitarbeiter, die zwar mehr kosten, aber auch eine höhere Produktivität haben. Mitarbeiter gezielt und systematisch einzubinden, wird sich auszahlen. Das Gleiche gilt allerdings auch für Investitionen in rationellere Abläufe, welche zahlreiche Hilfsjobs überflüssig machen werden.
Der Fachkräftemangel wird kaum entschärft. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht das Gastgewerbe attraktivere Arbeitszeitmodelle, die den Umständen und Wünschen der Mitarbeiter Rechnung tragen. Bei den Löhnen dürfte der Aufwärtsdruck abnehmen, jedoch nicht verschwinden. Vor allem in den grossen Städten haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemerkt, wie schwierig es ist, mit Kurzarbeitsentschädigungen und ohne Trinkgeld über die Runden zu kommen.
Manch einer wird sich überlegt haben, ob er nicht doch lieber in einer anderen Branche mit besseren Verdienstchancen Beschäftigung sucht. Die aufstrebenden Mitarbeitenden werden wir nur halten, wenn wir ihnen Perspektiven, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Gleichzeitig müssen wir für den Berufsnachwuchs wieder interessanter werden.
Zeit verbringen oder Zeit sparen
Das Publikum bleibt so heterogen wie unsere Gesellschaft. Viele Leute haben jedoch während des Lockdowns eine Entschleunigung erlebt, die sie nicht vorschnell wieder aufgeben werden. Einfach rasch übers Wochenende nach Madrid oder London zu fliegen, wirkte irgendwie schon vor Corona nicht mehr zeitgemäss.
Der Wunsch, in Ruhe und bewusst zu geniessen, wird Restaurants mit kreativer Küche und stimmigen Konzepten Auftrieb geben. Die Zweiteilung in Zweckverpflegung und reine Genussdestinationen wird fortschreiten.
Beliebigkeit wird von den Konsumenten nicht geschätzt. Sie suchen unverwechselbare Erlebnisse. Gastronomen sind deshalb gut beraten, ihre Arbeitsweise und ihre Konzepte zu hinterfragen. Nur wer die nötige Leidenschaft und Energie aufbringt, nicht nur den Weg des geringsten Widerstands geht, wird nach einer vollständigen Normalisierung des Markts auf der Erfolgsstrasse sein.
Bars und Clubs, von der Pandemie am härtesten und längsten betroffen, werden ein Comeback erleben. Nach der verordneten Distanz sehen sich die Menschen nach Nähe. Dancing statt Distancing: Ähnlich dem Verhalten nach Kriegen, wird gefeiert und geflirtet, dass sich die Balken biegen. Im besten Fall erleben wir ein kleines Wirtschaftswunder.
Entscheidende Touchpoints
Die Gäste gewöhnen sich an digitale Speise- und Weinkarten sowie eine unkomplizierte Atmosphäre. Klassische Servicerituale verlieren an Bedeutung, werden in einzelnen Lokalen aber weiterhin erfolgreich gepflegt. Wichtiger als das Einsetzen der Teller von der richtigen Seite sind jedoch Charme, eine authentische Gastfreundschaft und eine kompromisslose Kundenorientierung.
Der Digitalisierungsschub wird sich auf den Tourismus und das Gastgewerbe auswirken. Die Zunahme von Videokonferenzen und hybride Kongressformate werden den Reiseverkehr verändern, während vermehrtes Home-Office das Mittagsgeschäft in den Städten beeinträchtigt.
Obwohl es auch eine Gegenbewegung zur Digitalisierung geben wird, weil die Leute durch sie erst recht auf der Suche nach Sinn und echten Kontakten sind, werden die Restaurants im Durschnitt deutlich technischer – nicht nur wegen der Automatisierung, sondern entlang der ganzen Dienstleistungskette, vom Marketing über die Reservation, während des Aufenthalts bis hin zum Bezahlvorgang und der Gästebewertung. Auch der Einkauf und die Administration werden endgültig digital. Es gibt kaum mehr Hemmschwellen, Prozesse digital abzuwickeln.
Ohne klare Positionierung der einzelnen Restaurants wird es nicht gehen. Auch Individualgastronomen müssen ihren Betrieb als Marke verstehen und eine entsprechende Identifikation schaffen. Wer die Frage «wer bin ich» nicht schlüssig beantworten kann, hat schon verloren.
Wertschöpfung und Wertschätzung
Die Corona-Krise zeigt auf, dass die Widerstandsfähigkeit in Teilen des Gastgewerbes nicht sonderlich ausgeprägt ist. Wir werden nicht darum herumkommen, weitsichtiger zu sein und ein systematisches Risikomanagement zu betreiben. Zwar haben wir viel dafür getan, effizienter zu werden. Wir versuchten also, die Dinge richtig zu tun. Dabei kam bei vielen die Effizienzfrage zu kurz: Tun wir denn auch das Richtige?
Nach Corona wieder da anzufangen, wo wir aufgehört haben, ist nicht zukunftsträchtig. Mit «business as usual» ist es nicht getan. Herausforderungen wie der «Overtourism», die Auswirkungen des Klimawandels, die Digitalisierung oder die Sozialverträglichkeit sind nicht einfach über Nacht verschwunden.
Im Spannungsfeld zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung müssen wir darauf achtgeben, womit und wie wir unser Geld verdienen. Das bedingt einen ungeschminkten Blick auf die Prozesse und Strukturen, auf Angebote und Kompetenzen, auf Preis und Leistung. Wer sich jetzt richtig aufstellt, wird in einigen Jahren gestärkt dastehen.
So richtig aufwärts wird es wohl frühestens 2022 gehen. Dann kommen wir aus der Rezession heraus und die touristischen Frequenzen normalisieren sich. Die Politik hat es in der Hand, dem Gastgewerbe den Weg zurück nach oben zu erleichtern. Die wichtigsten Mittel dazu wären eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer, ein Bürokratieabbau, die Öffnung von weiteren Sektoren der Agrarwirtschaft und die Umsetzung der Fair-Preis-Initiative.
Maurus Ebneter
Präsident Wirteverband Basel-Stadt
- Innovationen: Restaurants werden zu Tech-Unternehmen
- Das bringen uns die Zwanzigerjahre
- Was das Gastgewerbe in den 2010er-Jahren bewegte
Dossiers: Automatisierung | Gastronomie | Marketing | Tourismus
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