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23.08.2023

Einkaufstourismus gewinnt wieder an Fahrt

Kaufkraft wandert ins benachbarte Ausland ab

Auswertungen von Kartentransaktionen zeigen, dass Herr und Frau Schweizer wieder deutlich mehr im Ausland einkaufen. Die Zahlungen in den Nachbarländern nehmen rasant zu. Wenig überraschend, liefern Grenzkantone wie die beiden Basel oder das Tessin die grössten Wachstumsbeiträge. Neben dem Detailhandel ist auch die Gastronomie von einer erheblichen Kaufkraftabwanderung betroffen.

Durch den Einkaufstourismus in die Nachbarländer der Schweiz fliessen jährlich gut 8.5 Milliarden Schweizer Franken ins Ausland ab. Die Auswirkungen auf den heimischen Handel sind immens. Auswertungen von Debit- und Kreditkartentransaktionen im Auftrag der Swiss Retail Federation zeigen, dass die grenzüberschreitenden Einkäufe im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 10.2% zugelegt haben – in Basel-Stadt waren es 16%, in Baselland 13%.

Benachteiligung der Schweizer Kunden

Für den Handel und das Gewerbe in der Schweiz ist die Situation stossend, weil der Gesetzgeber den Kaufkraftabfluss mit falschen Anreizen zusätzlich begünstigt. Zwar haben die eidgenössischen Räte schon mehreren Standesinitiativen Folge gegeben, aber umgesetzt sind sie noch immer nicht.

Nach wie vor wird der In- und Auslandkonsum steuerlich unterschiedlich behandelt. Kundschaft, die aus dem Ausland Waren innerhalb der Wertfreigrenze von 300 Franken einführt, kann sich die ausländische Mehrwertsteuer zurückerstatten lassen und muss keine schweizerische Mehrwertsteuer bezahlen.

Der doppelte Steuervorteil für Auslandseinkäufe wäre so anzupassen, dass die Kundschaft in den hiesigen Geschäften nicht schlechter gestellt wird. Eine pragmatische Umsetzung bestünde in der Senkung der Wertfreigrenze auf 50 Franken. Dies entspricht in etwa der Bagatellgrenze in Deutschland (50 Euro), ab welcher Schweizer Einkaufstouristen die deutsche Mehrwertsteuer zurückfordern können.

Die Wertfreigrenze ist ein massgeblicher Treiber des Einkaufstourismus. Eine Studie der Universität St. Gallen hat gezeigt, dass mit ihrer Senkung auf 50 Franken die Kundschaft rund 33 Prozent weniger Einkäufe im Ausland tätigen würde.

Kantone gefordert

Die Auswertung der Daten zeigt, dass die massgeblichen Wachstumsbeiträge am zunehmenden Einkaufstourismus verschiedenen Grenzregionen zugeordnet werden konnten. Konkret trugen Kantone wie Basel-Stadt, Baselland, Genf, Jura, Neuenburg, St. Gallen und Tessin im ersten Halbjahr 2023 die höchsten Anteile an der Volumensteigerung der Auslandeinkäufe bei.

Gerade in diesen Kantonen ist es für den Detailhandel von existenzieller Bedeutung, dass er gegenüber dem grenznahen Ausland wettbewerbsfähig bleibt und nicht durch Regulierungen benachteiligt wird. Faktoren wie der abgeschottete Agrarmarkt, die Hochkosteninsel, die Verfügbarkeit von Parkplätzen oder die Öffnungszeiten schwächen unseren Standort. Der weiche Euro ermöglicht es den Schweizer Konsumenten trotz happiger Inflation in den Nachbarländern, dort weiterhin wesentlich günstiger einzukaufen.

Gastronomietourismus

Während der steigende Einkaufstourismus in aller Munde ist, geht vergessen, dass es auch einen «Gastronomietourismus» gibt. Viele in der Schweiz wohnhafte Personen suchen gezielt Gaststätten im benachbarten Ausland auf, um sich dort zu verpflegen oder zu unterhalten. Umsatz geht der heimischen Gastronomie auch verloren, wenn im Rahmen von Auslandeinkäufen in Restaurants, Cafés, Imbisslokalen und Bars konsumiert wird.

Manche Restaurants im deutschen Grenzgebiet erzielen zwei Drittel ihres Umsatzes mit Gästen aus der Schweiz. Die Ursachen des Kaufkraftabflusses überschneiden sich mit den Motiven für den Einkaufstourismus im engeren Sinne, unter welchem der Detailhandel leidet. In der Gastronomie fallen höchstens die Öffnungszeiten als Beweggrund weg.

Wer sich auf den Parkplätzen im Badischen und im Elsass umsieht, wird nicht nur Autokennzeichen von Grenzkantonen erkennen. Die Einzugsgebiete ziehen sich bis weit in unser Land hinein. Rund drei Viertel der Schweizer Bevölkerung können innerhalb von 60 Fahrminuten eine ausländische Shopping- und Tourismusdestination ansteuern, fast ein Drittel sogar innerhalb von 30 Minuten!

Konstanz gehört zu den beliebtesten Shopping-Destinationen der Schweizer. MTK / Dagmar Schwelle


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