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21.11.2024
«Wirtekind»
Fabian Brändle über das Buch «Goofejoor» von Susanne Alder
Die Schwellbrunnerin (Kanton AR) Susanne Alder (geboren 1965) erinnert sich im Buch «Goofejor» auf Dialekt und in Hochdeutsch an ihre Kindheitsjahre in Bergbauernhof und Aussichtsrestaurant.
Wirtekinder, so sagt man, seien gleichsam von besonderem Geblüt, neugierig, naseweiss, beobachtend, vielleicht vorlaut, humorvoll und schlagfertig. Viele Wirtekinder mussten sich jedoch auch Zoten anhören, mit Betrunkenen umgehen, übertrieben hart helfen oder wurden gar Opfer sexueller Übergriffe. Diese Faktoren machten ihre Kindheit und ihre Pubertät oftmals beschwerlich.
Die im Jahre 1965 in Schwellbrunn, Kanton Appenzell Ausserrhoden, geborene und dort in einem Bergbauernhof in ärmlichen Verhältnissen gemeinsam mit zahlreichen Geschwistern aufgewachsene Susanne Alder verlebte nach eigenen Aussagen eine relativ glückliche Kindheit. Dies lag an einer fürsorglichen Mutter und an einem hart arbeitenden Vater.
Die Mutter, ohnehin mit einem gewaltigen Arbeitspensum belastet, führte im Nebenerwerb eine «Gastwirtschaft etwas oberhalb des Bauernhofs», ein kleines Aussichtsrestaurant also, das auch einheimischen Frauen und Männern zum «iicheere» diente.
Der Alkoholkonsum in den 1970ern und 1980ern war vor allem unter Männern beachtlich. Die Wirtin mochte das nicht. Sie konnte beispielsweise den Geruch von «Kaffi Luz» oder «Kaffi Fertig» nicht ertragen und nannte diese Alkoholika kurzerhand «Stinkkkaffi».
Manchmal trank der Vater zu viel im eigenen Wirtshaus. Dann meinte seine Gattin, er zeige wieder einmal seine «Wiischnorre»! Frauen litten damals oftmals unter der Trunksucht ihrer Gatten, unter Geldverlust, sexueller Gewalt, Schlägen. Kaum eine Frau traute sich zu wehren.
Wen wundert es, dass Mutter Alder einige Mineralwasser oder «Sinalco», «Vivi Cola», «Rivella» oder «Prego» (ein Schweizer Produkt auf Milchserumbasis) führte.
Die Alderkinder mussten tüchtig mithelfen in der Gaststube. Sie verbrachten in der Regel den ganzen Tag dort und «schmissen den Laden». Wenn eine Glocke läutete, wartete ein Gast. Dann hiess es, hinaufzueilen.
Manchmal waren die Kinder scheu, um eine Bestellung aufzunehmen. Wenn sie nicht weiterwussten, telefonierten sie der Mutter mit dem internen Telefon. Dies war ein technischer Fortschritt und bewahrte die Kinder vor als peinlich empfundenen Fehlern.
Immer gut an kam ein «rääser» Spruch seitens der Kinder. Dies wurde von einer jungen Appenzellerin geradezu erwartet. Susanne Alder war zwar eher scheu, blühte aber in der Gaststube auf. Sie war gewissermassen ein kleines Wirtetalent.
Die Kinder konnten einander auch vor Übergriffen schützen. So scheint Susanne Alder erfreulicherweise nie etwas ernsthaftes passiert zu sein. Bei anderen Wirtekindern war das wie gesagt anders, vor allem, wenn sie sich abends und nachts noch in der Gaststube aufhielten.
Das Bergrestaurant der Familie Alder bewirtete zudem viele Ausflügler und Ausflüglerinnen sowie Wanderer, die gesundheitsbewusst lebten und sich nicht sinnlos betranken. Für Susanne Alder jedenfalls war die Gaststube immer auch ein Ort des Lernens und Gedeihens.
Dr. phil. Fabian Brändle, Historiker und Volksschriftsteller
Alder, Susanne: Goofejoor. Kindheit im Appenzellerland.
Schwellbrunn: Appenzeller Verlag 2022.
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