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06.02.2020

Das bringen uns die Zwanzigerjahre

Was das Gastgewerbe im neuen Jahrzehnt erwartet

Was das Hotel- und Gastgewerbe im neuen Jahrzehnt wohl erwartet? Ein paar Entwicklungen, die garantiert eintreffen werden. Oder auch nicht.

«Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen»: Es ist unklar, ob dieses Zitat von Winston Churchill, Mark Twain oder Kurt Tucholsky stammt. Tatsache ist, dass es unmöglich ist, die Zukunft vorauszusagen.

Wer ahnte anfangs 1989, dass Monate später der Eiserne Vorhang fällt und die Diktatur des Kommunismus endet? Wer ahnte im Jahr 2000, dass die Welt schon bald mit Rauchverboten überzogen sein wird? Dass jeder ein Handy besitzen wird, mit dem er auch fotografiert und surft? Dass Kaffees im Pappbecher zum Strassenbild gehören werden?

Die Entwicklungen gehen rasend schnell. Jedes Jahrzehnt bringt noch mehr Veränderungen hervor als das vorangegangene. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass die Welt in zehn Jahren eine völlig andere sein wird. Zwar ist anzunehmen, dass die aktuellen Trends noch eine Weile fortgeschrieben werden, doch keiner weiss, was konkret geschehen wird. Einige der folgenden Themenfelder werden aber im Gastgewerbe eine Rolle spielen.

Pflanzliche Ernährung wird beliebter. Das liegt nicht an der lauten Minderheit, die den Veganismus als Ideologie versteht, sondern an durchschnittlichen Konsumenten, die aus Gründen der Gesundheit und des Tierwohls ab und zu auf tierische Produkte verzichten. Es sind diese «Gelegenheitsvegetarier», die auch in den nächsten zehn Jahren für eine höhere Nachfrage nach fleischlosen Gerichten sorgen wird – zumindest im Westen. Weltweit wird der Fleischkonsum markant zunehmen!

Das Seltsame an der Vegi-Mode ist, dass die Speisen doch irgendwie an Fleisch erinnern müssen. Deshalb boomen Imitate wie Impossible oder Beyond Meat, bei denen es sich aber letztlich um stark bearbeitete Fake-Produkte handelt. Aufgeklärte Konsumenten werden nach Alternativen suchen: Feine hausgemachte Gerichte aus Hülsenfrüchten und Gemüsen werden beliebter, wobei auch bisher weniger gebräuchliche Pflanzenteile eine Rolle spielen werden.

Es gibt immer mehr neuartige Nahrungsmittel: Novel Food stellt die Lebensmittelüberwachung vor Probleme. So gilt es, Speiseinsekten zu bestimmen, Algenarten zu untersuchen oder über die Verkehrsfähigkeit von Produkten zu entscheiden, die Cannabidiol (CBD) oder andere Extrakte der Hanfpflanze enthalten.

Fachwissen, Erfahrung und ein gutes Gespür allein reichen nicht mehr, ein Restaurant erfolgreich zuführen. Die Unternehmer werden Entscheide noch mehr aufgrund von Daten und exakter Analyse fällen. Gästeinformationen werden systematischer erfasst: Persönliche Daten sind bekanntlich das Gold unserer Zeit.

Zu den grössten Herausforderungen des neuen Jahrzehnts gehört es, qualifizierte Fachkräfte zu finden und zu halten. Die Bewerber gehen bei Wahl ihres potenziellen Arbeitgebers gezielter vor. Vor allem grössere Gastronomen und Hoteliers kommen nicht darum herum, sich mittels Personalmarketing auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren («Employer-Branding»).

Bis 2030 werden zwanzig Gruppen und Systeme in der Schweiz mehr als 100 Millionen Franken Jahresumsatz erzielen. Migros und McDonald’s dürften sich gar der Milliardengrenze annähern. Neben den grossen Playern werden sich noch mehr regionale Gastronomiegruppen etablieren. Einzelne Newcomer wachsen allerdings zu hastig und werden dann gezielt verkleinern. Andere werden sich als Platzhirsche behaupten oder gar überregional expandieren, zum Teil mit Franchising.

Die technologischen Anforderungen für Restaurants werden komplexer. Entlang der gesamten Servicekette findet eine Automatisierung statt. Ein Ende der Innovationen ist nicht absehbar, wobei zunehmend auch künstliche Intelligenz eine Rolle spielt. Die Digitalisierung bringt den Betreibern, Mitarbeitern und Gästen zunehmend echten Nutzen: durch höhere Umsätze, tiefere Kosten, Convenience, einen markanten Zeitgewinn oder ein grossartiges Erlebnis.

Zu den Herausforderungen gehört es, dass all die Plattformen der Betriebe, Gäste, Behörden und Lieferanten miteinander kommunizieren können. Damit die Integration der Systeme greift, braucht es bessere Schnittstellen. Kassen werden nur noch Bestandteil eines integralen «operation hub» sein. Daran wird im kommenden Jahrzehnt gearbeitet.

Immer mehr Gäste bezahlen mit Karte oder Smartphone. Die Zahl von Betrieben, in denen man nur bargeldlos bezahlen kann, wird zunehmen. Zumindest in der Schweiz werden aber Banknoten und Münzen (noch) nicht verschwinden.

Instagram wird für das Restaurant-Marketing bedeutend bleiben. Gleichzeitig werden mehr Leute wieder auf den Geschmack statt nur auf das Aussehen der Gerichte achten. Glitzer-Shakes und schwarze Burgers mit Aktivkohle sind ja witzig, aber wir sollten nicht vergessen, dass Gäste die Speisen essen und nicht nur anschauen wollen.

Soziale Medien und Bewertungsportale hin oder her: Die herkömmliche Mund-zu-Mund-Propaganda wird auch den 2020er-Jahren wichtig bleiben: Nichts hat so viel Einfluss auf die Auswahl eines Restaurants wie direkte Empfehlungen von Freunden, Familie und Bekannten.

Gäste über 50 werden noch bedeutsamer werden, sowohl mengenmässig als auch von der Kaufkraft her. Viele «Best Agers» – und nicht nur sie – stören sich an lauten Geräuschkulissen in Restaurants. Angesagt sind in den neuen 20er-Jahren deshalb nicht Lokale, die die Musik laut laufen lassen, sondern solche, in denen am Tisch störungsarm gesprochen werden kann. Es lohnt sich, die Akustik professionell zu planen!

Alte Gasthausqualitäten sind wieder gefragt. Die Wow-Effekte von hippen Konzepten nehmen rasch ab. Am gemütlichsten ist es halt doch in der Beiz. Essen und Trinken sind dabei nur die Kernleistung. Zu stimmigen Konzepten gehören Service, Unterhaltung und Design.

Der Off-Premise-Markt wird weiterwachsen: Take-Away, Lieferungen, Catering und Drive-Thrus sind Vertriebsformen mit hohem Potential. Sie sind für Gastronomen jedoch nicht nur Absatzchancen, sondern zugleich eine Konkurrenz.

Deshalb werden sich die Unternehmer stärker anstrengen müssen, den Besuch im Restaurant attraktiver zu machen. Es wird vermehrt Angebote geben, die sich nur vor Ort und nur zu bestimmten Zeiten erleben lassen. Kleine Aufmerksamkeiten für wiederkehrende Gäste oder gar systematische Loyalitätsprogramme werden zum Standard.

Durch das steigende Marktvolumen des Liefergeschäfts werden neue Player auf den Plan gerufen: Lebensmitteleinzelhändler und Küchenbetreiber, die keine Plätze für den Verzehr vor Ort mehr anbieten.

In «Geisterküchen», die nicht auf frequentierte Standorte angewiesen sind und deshalb tiefe Mietkosten haben, werden Speisen für «virtuelle» oder echte Restaurants produziert, die dann über externe Dienstleister wie Eat.ch oder Uber Eats vermarktet und zu den Konsumenten geliefert werden. Pizza, Pasta, Curries, Sushi, Sandwiches, Eintöpfe, Salate, Diätgerichte und vieles mehr kommen aus der gleichen Grossküche. Für die Endkunden bleibt das unsichtbar.

Die Art, wie wir Restaurants denken, planen und betreiben, wird sich verändern. Mitnahmetheken für das Take-Away-Geschäft und Abholzonen für Lieferfahrer nehmen Fläche ein, die Verzehrflächen werden entsprechend kleiner. Das Sortiment wird vermehrt nach Kriterien der Lieferfähigkeit zusammengestellt.

Auch beim Verpackungsmaterial sind Innovationen zu erwarten. Es wird rutsch- und stossfester, vor allem aber ökologischer und teilweise kompostierbar werden. Der Reduktion von Plastikmüll kommt grosse Bedeutung zu.

Womit wir beim zentralen Thema des Jahrzehnts angelangt sind, der Nachhaltigkeit. Es ist zu hoffen, dass sinnvolle Ziele ideologiefrei, ohne planwirtschaftliche Instrumente und mit massvoller staatlicher Intervention erreicht werden. Der Begleitschaden wäre sonst riesig, ohne dass aus globaler Sicht viel für die Umwelt getan würde.

Die meisten unserer Gäste sind ökologisch bewusst, auch wenn ihr Verhalten oft widersprüchlich ist. Gastronomen und Hoteliers tragen die Verantwortung, die Umwelt zu schonen. Regionalität und Saisonalität, ohnehin eigenständige Trends, helfen dabei.

Die Vermeidung von Überschuss ist auch wirtschaftlich interessant. Bausteine hierzu sind eine sorgfältige Angebotsplanung, ein bewusster Einkauf, die konsequente Müllvermeidung, eine bedarfsgerechte Produktion und die Verwertung von Resten («too good to go»). Luxus muss nicht zwingend Verschwendung beinhalten.

Das steigende Umweltbewusstsein verleiht althergebrachten Fortbewegungsmitteln wie Velos, Eisenbahnen, Fähren und Booten Auftrieb. Gleichzeitig wird trotz «Flugscham» so viel geflogen werden wie nie zuvor. Ticketabgaben werden daran kaum etwas ändern.

Auch wenn der «Overtourism» in der Schweiz bisher nur punktuell und temporär auftritt, reagieren die Reisenden sensibler auf Menschenmassen. Sie werden zum Teil auf weniger besuchte Orte mit kleinerem Ansturm umschwenken. Das ergibt Chancen für Destinationen und Betriebe abseits der Trampelpfade.

Maurus Ebneter

Burger-Roboter

Ein klassischer Job für ungelernte Arbeitskräfte: In Zukunft könnten das Roboter erledigen. Miso Robotics


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