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08.07.2015

Gesünder, besser und billiger

Alle Teile eines Lebensmittels verwerten

Mit gutem Beispiel geht voran, wer nach "Nose-to-Tail" oder "Leaf-to-Root" kocht. Wer dies täglich im Betrieb umsetzen möchte, steht aber vor einigen Hindernissen.

Was früher gang und gäbe war, wird heute fast nur noch an der "Metzgete" getan: die gesamte Verwertung eines Tierkörpers. Dabei hat ein Schwein oder Rind weit mehr zu bieten als sein Rückenfilet: So können Blut- und Leberwürste hergestellt, die Ohren knusprig gebraten und aus den Füssen eine schmackhafte Sauce zubereitet werden. Im Restaurant Moosegg in Emmenmatt werden sogar Herz und Lunge angeboten, gesotten und dünn aufgeschnitten an einer Pilzrahmsauce.

"Für uns ist das Handwerk sehr wichtig", erklärt Gastgeber Daniel Lehmann. In der Küche lässt er seiner Kreativität freien Lauf – Sous-vide, Niedergaren und über Holzkohle grillen sind nur einige der Zubereitungsarten. Die "Nose-to-Tail"-Bewegung fasziniert Lehmann: Seit der britische Koch Fergus Henderson das gleichnamige Buch publiziert hat, sind Schlachtnebenprodukte wie Kopf und Innereien wieder salonfähig geworden.

Die Idee dahinter: möglichst alle Teile eines Tieres verwerten – einerseits aus Respekt vor dem Tier, andererseits aus ökologischen und kulinarischen Gründen. Romano Götschmann, Metzgermeister aus Giffers, bringt es auf den Punkt: "Es gibt nichts Schlechtes, es gibt höchstens schlecht Zubereitetes."

Nebst dem Filet seien auch Schmorbraten oder Brasato schmackhaft, diese müssten jedoch länger gegart werden. "Die Menschen sollten sich wieder mehr Zeit zum Kochen und Essen nehmen", findet Götschmann. Er merke aber, dass die Nachfrage für die weniger "edlen" Fleischstücke langsam steige und die Konsumenten beim Kauf achtsamer werden.

Ähnlich sieht es Daniel Lehmann: "Das Thema wird von den Medien häufiger aufgegriffen und die Gäste werden dadurch offener. Wenn man ihnen Innereien schön präsentiert, essen sie diese meist auch und sind dann positiv überrascht." Genau um diesen Aha-Effekt geht es ihm, auch wenn er die "Nose-to-Tail-Küche" nur punktuell anbietet: "Der Aufwand ist leider massiv höher."

Noch schwieriger sei die Umsetzung von "Leaf-to-Root", der ganzheitlichen Verwertung von Gemüse. "Es ist gar nicht so einfach an die Rohstoffe zu kommen, wenn man keinen Garten hat", erklärt Lehmann. Dabei könnte man beispielsweise aus einer Karotte mitsamt Schale und Kraut leckere Säfte, Suppen und Kompotte zubereiten.

Die Webseite waskochen.ch hat sich die Leaf-to-Root-Bewegung zu Herzen genommen und stellt Küchenchefs mit ihren Rezepten vor. Nils Osborn vom Quai 61 in Zürich hat für die Aktion eine Konfitüre aus Kartoffelschalen zubereitet und serviert sie zu Kartoffel-Donuts. Er achtet in der Küche grundsätzlich darauf, keine Abfälle zu produzieren, um die Warenkosten tief zu halten.

Dennoch gibt es Hindernisse: "Leaf-to-Root ist eine coole Idee, die aber nur begrenzt umsetzbar ist", findet Osborn. Früher habe er in kleineren Betrieben gearbeitet und konnte dort mehr experimentieren. Doch im Quai 61, wo bis zu 400 Gäste bedient werden, sei die Kundschaft wählerischer. Er hofft aber, dass Nose-to-Tail und Leaf-to-Root keine kurzweiligen Trends sind, sondern sich dauerhaft etablieren: "Es wäre toll, wenn die Gastronomie da eine Vorreiterrolle übernehmen könnte."

Die Nose-to-Tail- und Leaf-to-Root-Bewegung geht Hand in Hand mit dem Engagement gegen Food Waste. Ein Koch, der sich damit stark auseinandersetzt, ist Mirko Buri aus Bern: Er hat sich mit dem Mahlzeitendienst "Mein Küchenchef" selbständig gemacht und beliefert Privathaushalte mit Menüs aus regionalen Zutaten, die möglichst vollständig genutzt werden.

Indem er etwa aus getrockneten Schalen Gemüsefonds und Salz herstellt oder aus Brokkolistängeln Kuchen, kann er alle Ressourcen effizient nutzen und verliert kein Gramm Lebensmittel. Zudem verwendet er auch krummes Gemüse, das nicht für den Verkauf bestimmt ist, um eine negative Food-Waste-Bilanz zu erhalten.

"Das Zubereiten ist sehr aufwendig, denn die Rezeptierung muss stimmen und es darf keine Transportverluste geben", erklärt Buri. Daher arbeitet er möglichst schnell und kalkuliert genau, wie viel er von welchem Produkt benötigt. Der Aufwand lohnt sich aber, denn er kann auf teure Zusatzprodukte verzichten und einen Mehrwert verkaufen.

Buri betreibt bei der nächsten Igeho im November zusammen mit Proviande einen Stand zu Nose-to-Tail, wo er vor Publikum kocht und informiert. Für ihn sind die Vorteile dieser Küche klar: Die Zubereitung aller Teile ist zwar zeitaufwendig, aber günstiger – man spart dadurch Geld und Ressourcen. Ausserdem kann man die Teile zu natürlichen Produkten ohne Zusatzstoffe weiterverarbeiten. Dieser Meinung ist auch Metzgermeister Romano Götschmann: "Alle Teile zu nutzen bedeutet zwar mehr Arbeit, aber es ist gesünder, besser und billiger."

Cristina Bürgi / GastroJournal


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