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16.06.2018

Branchengrenzen verschmelzen

Detailhändler erobern Anteile am Gastronomiemarkt

Einst waren Handel und Gastronomie sauber voneinander getrennt: Der Handel verkaufte Lebensmittel für den Heimkonsum, und Restaurants boten Speisen zum Genuss an Ort und Stelle an. Doch längst haben die Detailhändler die Vorteile gastgewerblicher Leistungen entdeckt. Sie dringen mit unterschiedlichen Formaten immer stärker in den Bereich der Gastronomie ein.

Unsere Gesellschaft ist mobiler geworden, das verfügbare Einkommen der Konsumenten ist gestiegen, der Trend zur Urbanisierung hält an, und gleichzeitig wohnen immer mehr Menschen in kleineren Haushalten – alles Voraussetzungen, die den Ausser-Haus-Verzehr begünstigen. Das blieb auch dem Einzelhandel nicht verborgen, der sich ein immer grösseres Stück dieses Kuchens abschneidet.

Wer vor zwanzig Jahren einen Kiosk aufsuchte, kaufte dort Zigaretten, Zeitungen oder Süssigkeiten. Heute sind es oft gekühlte Getränke, Kaffeespezialitäten und Sandwiches. Bäckereien leben schon lange nicht mehr vom Brotverkauf allein: Ohne die hohen Kaffee- und Snackumsätze müsste manche Filiale wohl schliessen. An Tankstellen befüllte man früher sein Fahrzeug mit Treibstoff. Heute bieten die angeschlossenen Shops auch gastronomische Leistungen an.

Detailhändler erobern wachsende Anteile am Gastronomiemarkt. Gutfrequentierte Restaurants in Möbelgeschäften, das riesige Angebot an Verzehrfertigem in Supermärkten oder Café-Bars in Buchhandlungen und Modegeschäften zeugen von dieser Entwicklung.

Allein Branchenführer Migros erzielt in 293 Filialen einen Gastronomieumsatz von 746 Millionen Franken. Coop bäckt kleinere Brötchen, schafft aber in 213 Filialen dennoch 356 Millionen. Der drittgrösste Handelsgastronom der Schweiz ist Ikea: Im Geschäftsjahr 2016 erzielten die neun Restaurants des Möbelhändlers – inklusive Schwedenshops und Hot-Dog-Bars im Vorkassenbereich – einen Umsatz von 68 Millionen Franken.

Gemäss Angaben von Erdöl Schweiz verfügen 1335 der insgesamt 3424 Markentankstellen über einen Shop. Sie tragen 72 Prozent zum gesamten Treibstoffabsatz bei. An Standorten mit grossen Shopflächen wird im Mittel wesentlich mehr Treibstoff getankt als an vergleichbaren Standorten mit einem kleineren Shop.

Die meisten Tankstellenshops erzielen Umsätze von zwei bis drei Millionen Franken. Etwa ein Achtel dieses Umsatzes wird mit verzehrfertigen Speisen und Getränken erzielt. Die Foodservice-Umsätze pro Tankstelle belaufen sich im Durchschnitt auf schätzungsweise 300'000 Franken. Hochgerechnet auf alle Tankstellenshops in der Schweiz entspricht das gastronomieähnlichen Erträgen in der Höhe von rund 400 Millionen Franken pro Jahr. Daneben gibt es rund 1000 Convenience Stores ohne Tankstelle: Auch hier dürften die Umsätze mit Ausserhaus-Verpflegung auf eine stattliche dreistellige Millionenzahl belaufen.

Den Betreibern von Tankstellen, Möbelgeschäften oder Supermärkten geht es nicht nur um die Umsätze. Gastronomische Angebote haben die Aufgabe, die Frequenzen zu erhöhen, die Verweildauer der Kunden zu verlängern und ein angenehmes Umfeld zu schaffen.

Die Branchengrenzen verschmelzen: Nicht nur der Handel, sondern auch Freizeitbetriebe sind gastronomisch aktiv. In den Kinosälen roch es früher nach Tabak, heute nach Popcorn, Nachos, Hot Dogs, Eiscreme und Cola. Die F&B-Erträge an den Pausentheken sind für Kinozentren heute so wichtig, dass sie ohne sie rasch Pleite gingen.

Vier von zehn Tankstellen verfügen über einen Shop. Die gastronomieähnlichen Umsätze dieser Shops belaufen sich auf rund 400 Millionen Franken pro Jahr.


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