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09.11.2020
Die Rechnung ohne den Wirt gemacht
Jetzt muss ein Ruck durch die Politik!
Ein Gastbeitrag von Florian Reiser
Eine Massenvernichtung von KMU und eine Flurbereinigung, wie sie Bundesrat Ueli Maurer letzte Woche empfohlen hat, erachte ich aus volkswirtschaftlicher Sicht als totales Fiasko und absolut verantwortungs- und führungslos!
Der Bund hat viele Ideen, wie die Gesundheit und das Gesundheitssystem geschützt und geschont werden kann. Das freut mich. Der gleiche Bund hat aber keine Ideen oder Lösungen, wie all die Arbeitsplätze und die wertschöpfenden Betriebe finanziert und am Leben erhalten werden können – und wie der Tourismusstandort Schweiz gerettet werden kann.
Es muss im Interesse aller sein, dass gut laufende und wertvolle Betriebe weiterarbeiten und unter Einhaltung der Hygienevorschriften eine möglichst grosse Wertschöpfung erzielen können. Und dass sie sich fit machen und rausputzen für die Zeit danach, sich gut positionieren und danach mit ihren wunderbaren, starken Betrieben, gut ausgebildeten Mitarbeitenden wieder Fahrt aufnehmen können.
Ich betone in aller Deutlichkeit: Es ist nicht der Strukturwandel, welcher uns zu schaffen macht. Es sind die Verordnungen und das Dekret vom Bund: «Bleibt zuhause, arbeitet im Homeoffice, haltet Abstand und schränkt Eure Reisen ein, um das Gesundheitswesen zu entlasten und die Risikogruppen zu schützen.»
Leider sind gerade solche Aussagen der Grund dafür und verantwortlich, dass sich die Menschen nicht mehr aus dem Haus getrauen und Ansammlungen meiden. Das sind die wahren und einzigen Gründe dafür, dass die Clubs, Bars, Restaurants und Hotels beinahe leer sind und nicht mehr wissen, wie sie ihre Betriebskosten bezahlen können.
Helft uns – aber richtig!
Die Kurzarbeit und die Härtefallklausel mögen für wenige Betriebe hilfreich sein, für die Gastronomie sind beide, entgegen der allgemeinen Volksmeinung, nicht geeignet:
• Die Kurzarbeit greift nicht, da die Arbeit nicht mehr im Verhältnis zu den Einnahmen steht und die Einnahmen nicht linear mit dem Aufwand verknüpft werden können.
• Die Härtefallklausel ist sinnvoll für Aussteller, Bühnentechniker oder Musiker, nicht aber für die Gastronomie. Sollten wir zurücklehnen, um möglichst unterstützt zu werden? Mit der so geplanten Massnahme werden gerade die toten Hunde in der Gastronomie beatmet.
Die Entschädigung des Umsatzausfalls ist der einzige Weg, wie sich gesunde und innovative Betriebe aus der Gastronomie, Hotellerie, Bar- und Clubszene, generell alle KMU, wie Coiffeure, Reisebüros, Kulturveranstalter (die es zuerst erwischt hat) über Wasser halten könnten. Natürlich muss die Ausfallentschädigung im Verhältnis zu den Lohnkosten stehen. Österreich, Deutschland und Frankreich machen es uns vor.
Es gäbe drei sehr einfache und überprüfbare «Hardskills», mit welchen sichergestellt werden könnte, ob es sich um ein schützenswertes Unternehmen handelt oder nicht:
• die AHV-Versicherungssummen
• die Mehrwertsteuerabrechnungen
• die Bilanzen und Erfolgsrechnungen der letzten Jahre
Waren die Betriebe vor der Krise profitabel und überlebensfähig? Dann müssen sie gerettet werden! Oder waren die Betriebe schon immer defizitär? Dann gibt es wenig Gründe, sie zu retten. Schwieriger wird die Beurteilung bei ganz jungen Betrieben: unter anderem müsste man deren Finanzierung anschauen.
Es kann doch nicht im Interesse der Steuerzahler, der gut laufenden Gewerbebetriebe oder unseres Staates sein, 100’000 Arbeitsplätze abzubauen und Tausende von Betrieben und deren komplette Wertschöpfung in einer Höhe von 10’000’000’000 Schweizer Franken zu vernichten.
Solidarität mit dem Gastgewerbe
Mindestens jeder dritte Gastrobetrieb steht vor dem Aus, nur weil er sich momentan und situationsbedingt nicht mehr selbst trägt. Es handelt sich nicht um Schwarze Schafe, sondern hauptsächlich um innovative Unternehmen, die die letzten Jahre kräftig investiert haben und viele Arbeitsplätze bieten. Es sind gesunde Betriebe, die sich weiterentwickelten und ihre finanziellen Mittel investierten und jetzt nach acht schwierigen Monaten nicht mehr auf Unmengen von liquiden Mitteln sitzen.
Wo bleibt die Solidarität? Es ist noch nicht so lange her mit dem Bankenplatz Schweiz, der UBS, der Industrie und dem Euro oder der Flugbranche, dem Frankenschock? Wäre es vorstellbar, dass wir keine Banken mehr hätten, keinen internationalen Flughafen oder kein Swissmade? Wäre es vorstellbar gewesen, den Franken nicht vor noch mehr Aufwertung zu stützen? Was musste uns das alles Wert sein!
An der Wertschöpfung des Gastgewerbes von über 30 Milliarden pro Jahr hängt ein ganzer Tross: vom Politiker, Beamten, Vermieter (Pensionskassen, private, städtische Liegenschaften), Lieferanten, Floristen, Grafiker, Elektriker, Schreiner, Küchenbauer, Weinhändler, Bierbrauer, Bauern, Touristen und viele mehr.
Wir sind es, die eine Wanderung in den Bergen, einen Spaziergang am See oder einen Stadtbummel versüssen. Wir sind es, die gerade im digitalen Zeitalter wichtige soziale Begegnungen noch live ermöglichen. Wir sind es, die den Menschen Oasen schenken. Wir sind es, die ihren Urlaub, ihre Freizeit oder ihren Hunger nach sozialen Kontakten erst ermöglichen.
Was macht die Schweiz mit all ihren arbeitsamen Mitmenschen, wenn sie nur noch zu Hause oder auf leeren Parkbänken vor sich her frusten? Es müsste uns allen klar sein, auch Herrn Maurer, dass «wir haben aufgrund von Covid-19 für immer geschlossen» keine Lösung ist!
Ein einfaches Rechenbeispiel
Schliesst wie prognostiziert jeder dritte Betrieb, sprechen wir von mindestens:
• 100’000 Arbeitslosen
• einem Umsatzverlust von 10 Milliarden
• einem Mehrwertsteuerverlust von 750 Millionen
• von Personalkosten in der Höhe von ca. 5 Milliarden
80 Prozent der Personalkosten müssten durch den Staat, sprich das RAV abgefedert werden. Das würde den Staat wiederkehrend rund 4 Milliarden Franken Arbeitslosenentschädigung kosten und zusätzlich viel Arbeit und Kosten für neue Beamte und Büros verursachen.
Die Wertschöpfung wäre komplett verloren und die Betriebe vernichtet. Die Politiker, Vermieter (Pensionskassen, private, städtische Liegenschaften, etc.), Lieferanten, Floristen, Grafiker, Elektriker, Schreiner, Küchenbauer, Weinhändler, Bierbrauer, Bauern etc. würden sehr viel verlieren, Jahr für Jahr.
Entschädigt man der Branche den Umsatzausfall mit 70 Prozent, wären viele Probleme gelöst und der Staat würde viel Geld sparen:
• Die persönliche Betreuung der Arbeitnehmer, die Auszahlung der Gehälter wird weiter über die Betriebe gewährleistet.
• Die Betriebe können sich stark machen für die Zeit nach der Krise.
• Die Standortattraktivität bleibt erhalten.
• Die Kaufkraft der Arbeitnehmer und Arbeitgeber bleibt erhalten.
• Es entstehen massiv weniger Folgeschäden für alle die Zulieferer, Handwerker, Vermieter.
• Ein Grossteil der Wertschöpfung kann weiter erzielt werden, denn die Betriebe können da weiter machen, wo sie vor der Krise standen.
• Der Bund spart Milliarden und nimmt viel schneller wieder Geld ein!
Natürlich sind die Zahlen zur Berechnung ausschlaggebend, aber hier verfügen wir über harte Fakten:
• Abgerechnete AHV-Lohnsummen
• Umsatz- und Kostenberechnung gemäss den verschiedenen Branchenspiegeln
• Mehrwertsteuerabrechnungen
• Abzüglich erzieltem Umsatz und bereits erhaltenen Zuschüssen wie Versicherungsleistungen, Mieterlass, Kurzarbeitsentschädigungen oder Spenden
Ich bin mir sicher, dass nur dieser Ansatz zielführend und rettend sein kann. Sollte der Finanzminister weiterhin der Meinung sein, dass es uns nicht mehr braucht, dann bleibt uns nur der Weg auf die Strasse, um endlich Gehör zu finden.
Nützt alles nichts, folgen Schliessungen mit allen Konsequenzen:
• Entlassungen ohne Sozialplan
• Schliessungen der Betriebe
• Konkurse von tausenden Betrieben
• Weitere mehrere 100’000 Verlierer, ohne Perspektive
• Wiederkehrende Sozialkosten von Arbeitslosen von über 4 Milliarden
• Nicht rückführbare Notkredite von über 10 Milliarden
Ich hoffe doch sehr, dass nun auch ein Ruck durch die Politik geht! Griffige Unterstützung muss her!
Florian Reiser
Inhaber Focacceria AG, St. Gallen
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