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08.08.2021
Gerichtsprozesse wahrscheinlich
Covid-Zertifikatspflicht im Gastgewerbe wäre verfassungswidrig
Der Bundesrat verzichtet auf die geplante Konsultation zum Öffnungspaket VI und nimmt an seiner Sitzung vom 11. August 2021 eine nächste Lagebeurteilung vor. Gleichzeitig sieht er die Kantone in der Pflicht, Massnahmen zu verschärfen, sofern dies die epidemiologische Lage oder die Auslastung des Gesundheitswesens erfordern. Einzelne Kantone ziehen allenfalls in Erwägung, die Covid-Zertifikatspflicht auf die Gastronomie auszuweiten. Das würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Gerichtsprozessen führen.
1. Die gesetzliche Grundlage fehlt
Das Legalitätsprinzip in Artikel 5 der Bundesverfassung als fundamentales Prinzip unseres Rechtsstaates verlangt, dass wichtige Bestimmungen auf Stufe Gesetz geregelt werden. Eine Rechtsgrundlage auf Stufe Gesetz besteht derzeit nicht. Artikel 6a des Covid-Gesetzes regelt einzig die Formalitäten rund um die Ausstellung des Covid-Zertifikats – nicht jedoch dessen Einsatz.
Auch im Epidemiengesetz ist keine Grundlage für eine Ungleichbehandlung von geimpften und ungeimpften Personen bzw. aufgrund des Covid-Zertifikats zu finden. Eine betreffende Verordnung des Bundesrates oder auch eine diesbezügliche Regelung auf kantonaler Ebene genügen den Anforderungen des Legalitätsprinzips nicht und wären verfassungswidrig.
2. Die Ausweitung des Zertifikats spaltet die Gesellschaft
Jeden Tag verpflegen sich in der Schweiz rund 2.5 Millionen Menschen im Gastgewerbe. Es handelt sich damit um eine bedeutende Alltagshandlung der Schweizerinnen und Schweizer. Das Gastgewerbe leistet einen entsprechend wichtigen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt in unserem Land. Würde das Covid-Zertifikat für Alltagshandlungen wie den Zugang zur Gastronomie eingeführt, hätte das eine gesellschaftlich höchstproblematische Ungleichbehandlung von ungeimpften und geimpften Personen zur Folge.
Ein Teil der Bevölkerung würde vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden. Dass das Zertifikat auch Genesenen und Getesteten ausgestellt wird, ändert wenig an der Ungleichbehandlung. Das Covid-Zertifikat diskriminiert und führt auf Umwegen zu einem Impfzwang, zumal die notwendigen Testkapazitäten nicht vorhanden sind, um alle Ungeimpften mehrmals wöchentlich zu testen. Eine Ausweitung des Covid-Zertifikats steht im Widerspruch zum gegenwärtigen Abbau der Testkapazitäten. Und wer kann sich mehrmals wöchentlich testen lassen, selbst wenn die Testkapazitäten geschaffen würden?
3. Das Rechtsgleichheitsgebot wird verletzt
Aus verfassungsrechtlicher Sicht läge eine klare Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots vor, wenn die Zertifikatspflicht auf die Gastronomie ausgeweitet wird. Gemäss einhelliger Meinung von renommierten Verfassungsrechtlern wie etwa Prof. Dr. iur. Eva Maria Belser oder Prof. Dr. iur. Andreas Stöckli von der Universität Fribourg darf eine Ungleichbehandlung von ungeimpften und geimpften Personen nur dann in Betracht gezogen werden, wenn eine weitgehende sterile Immunität durch die zugelassenen Covid-Impfungen nachgewiesen ist.
Zum gleichen Schluss kommt die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK) in ihrer Stellungnahme vom 11. Februar 2021 und das Bundesamt für Justiz in seinem Gutachten vom 18. Februar 2021. Die derzeit zugelassenen Impfstoffe bewirken gemäss aktuellem Stand der Wissenschaft keine (auch keine weitgehende) sterile Immunität. Das heisst, Geimpfte bleiben ansteckend und können sich weiter anstecken.
4. Das Covid-Zertifikat verhindert die Zirkulation des Virus nicht
Das Covid-Zertifikat verleitet zur Annahme, Geimpfte, Genesene und Getestete seien nicht ansteckend. Wenn dem so wäre, dürften keine Ansteckungen an Orten stattfinden, wo das Covid-Zertifikat zum Einsatz kommt. Aktuelle Daten zu den registrierten Ansteckungsorten widerlegen dies jedoch. Viele Geimpfte sind der Meinung, dass sie keine Maske mehr tragen müssen. Das ist eine falsche Annahme, da Geimpfte wie erwähnt weiterhin ansteckend sein können. Die Impfung bietet in erster Linie den Geimpften einen Schutz, so dass sie keinen schweren Krankheitsverlauf erleiden
.
Wir werden wohl nie eine Impfquote erreichen, welche die Zirkulation des Virus verhindert. Mit dem Zertifikat wiegen sich die Leute in falscher Sicherheit. Zudem unterscheidet sich die Ausgangslage in Restaurants und Cafés gegenüber jener in Diskotheken, Tanzlokalen und Veranstaltungen. In Restaurants und Cafés konsumieren die Gäste vorwiegend sitzend. Das Risiko einer Ansteckung wird dadurch deutlich reduziert. Eine Durchmischung der Gästegruppen findet nicht statt. Die Ansteckungsketten können einfacher zurückverfolgt werden.
Deshalb ist es in Restaurants und Cafés der richtige Weg, die Kontaktdaten zu erheben. Wir werden unsere Mitglieder weiterhin dafür sensibilisieren, die Kontaktdaten gemäss den staatlichen Vorgaben richtig und lückenlos zu erfassen. Das Covid-Zertifikat eignet sich jedoch nicht für Restaurants und Cafés.
5. Verantwortungsvoll handeln
Eine Ausweitung des Zertifikats würde das gesellschaftliche Klima weiter vergiften. Das zeigen die bisherigen Reaktionen aus der Bevölkerung und von gastgewerblichen Unternehmern. Bereits anfangs Jahr war die Stimmung im Gastgewerbe und bei den Gästen äusserst angespannt. Es ist wichtig, dass sich alle Anspruchsgruppen ihrer Verantwortung bewusst sind, um das gesellschaftliche Klima nicht weiter zu verschlechtern. Wir sollten mit dem Virus zu leben versuchen, ohne einen Teil der Bevölkerung zu stigmatisieren. Die Ungeimpften müssen selber entscheiden, ob sie das Risiko auf sich nehmen wollen, unter Umständen einen schweren Krankheitsverlauf zu erleiden.
Die Risikogruppen sind grösstenteils geimpft. Viele weitere werden noch nicht geimpft, weil sie sich bereits mit Covid-19 angesteckt haben und somit über eine natürlich erworbene Immunität verfügen. Vor diesem Hintergrund fand längst eine Entkoppelung der Fallzahlen von der Zahl der Hospitalisierungen oder der Anzahl Todesfälle statt. Die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitswesens ist deutlich tiefer als noch im Frühjahr, auch weil die Behandlungsmethoden viel besser geworden sind. Nun, da jeder Gelegenheit hatte, sich impfen zu lassen, ist den Menschen ihre Freiheiten und Eigenverantwortung zurückzugeben.
6. Verfassungswidriger Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit
Weiter stellt eine Ausweitung des Zertifikats auf die Gastronomie einen schweren Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit dar. Aus Gründen der Praktikabilität würde der Eingriff einen erheblichen Rückgang des ungeimpften Kundenstammes verursachen. Das kommt bei einer absehbaren Durchimpfungsrate von rund 60 Prozent einer Teilschliessung gleich. Nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip in Artikel 5 der Bundesverfassung sind deshalb sehr hohe Anforderungen an die Massnahme zu stellen.
Darüber hinaus wäre die Zertifikatskontrolle eine staatliche Aufgabe und müsste von den Behörden übernommen werden. Aufwand und Kosten stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen. Bis heute konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Schweizer Gastronomie ein Hauptansteckungsort darstellt. Bis heute sind Hotspots in der Gastronomie ausgeblieben. Sollte der Einsatz des Covid-Zertifikats dennoch auf die Gastronomie ausgeweitet werden, so wird es wohl Gerichtsprozesse geben.
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Dossier: Pandemie
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