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25.09.2023
Ein einig' Volk von Wirten?
Gastronomen als oppositionelle und demokratische Politiker im 18. Jahrhundert
Wer sich mit der Geschichte der schweizerischen Demokratie beschäftigt, dem fällt die Dominanz von Gastwirten zumindest im 18. und frühen 19. Jahrhundert ins Auge. Gastronomen standen an der Spitze demokratisch orientierter Oppositionsbewegungen und führten auch in einzelnen Dörfern über Generationen hinweg das Szepter.
Namentlich in den Landsgemeindekantonen wie Uri, Schwyz, Zug oder den beiden Appenzell mobilisierten Wirte Anhänger gegen die herrschenden Familien und Geschlechter. Sie verfügten über etwas Bargeld, zumal, wenn sie eine herrschaftliche Taverne führten, und konnten daher heiss begehrte Kleinkredite vergeben. Die zahlreichen Schuldner verhielten sich im Gegenzug loyal und gaben ihre Stimme für die ambitionierten Wirte ab. Diese waren an den Landsgemeinden oftmals gute Redner.
Das Argumentieren und schnelle Reagieren hatten sie von der Pike auf in den eigenen Schankstuben erlernt. Dort erfuhren sie auch, wo das Volk der Schuh drückte. Sie reagierten auf die Sorgen und Nöte der Landleute und versprachen rasche Abhilfe, während die alten Chefen eher abgehoben in ihren noblen Palästen residierten und sich von den ärmeren Bergbauern entfremdeten.
So manch ein Wirt glänzte durch Schlagfertigkeit, Schalk und Witz, so der Gontener Badewirt Joseph Anton Suter, der es Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Appenzell Innerrhoder Landammann brachte, jedoch Fehler beging und in der Folge von seinen alten Todfeinden verraten, gefoltert und hingerichtet wurde. Sein Lebensdrama inspirierte auch ausländische Reisende.
Die führenden Geschlechter kauften schnöde und beinahe offen Stimmen ein vor Wahlen und Abstimmungen. Ein Geheimnis war diese Praxis jedenfalls nicht. Diese omnipräsente Korruption wurde damals «Praktizieren» und «Trölen» genannt und war eigentlich in vielen Mandaten (=Gesetzen) streng verboten.
Nun setzten wie gesagt auch die Wirte gewisse, nicht unbeträchtliche Geldsummen ein, vermochten jedoch auf Dauer nicht mitzuhalten mit ihren Rivalen aus der Oberschicht. Einige verschuldeten sich über beide Ohren. Nun wurden sie natürlich verletzlich, was die Oligarchen ausnützten und sie fertigmachten.
So endete so mancher «politische» Wirt unter dem Fallbeil. Dennoch liessen sich ehrgeizige Gastgeber nicht immer abschrecken und versuchten es von Neuem. Der Toggenburger «Fridle» Erb beispielsweise war auch ein echter Kraftmeier. Beim Armdrücken brach er einem schwächeren Gegenüber einmal den Arm. Er redete wüst und unflätig über seinen Landesherren, den Fürstabt von St. Gallen und drohte offen mit einer Rebellion der Toggenburger.
In seiner Schankstube offerierte «Fridle» Erb einer Schlägertruppe alkoholhaltige Tranksame. Der Bütschwiler Gewalttäter schreckte auch vor politischen Morden nicht zurück und liess zwei alte Rivalen um die Macht von einem Mob brutal erschlagen. Meines Wissens wurde er nie dafür belangt, da er die Rückendeckung Zürichs genoss. Erb hatte auch so genannte «Wühler» ausgeschickt, die Wirtshäuser im gesamten Toggenburg besuchten und für ihren gewalttätigen Herrn Stimmung machten.
Es gäbe noch viele weitere Beispiel für die Strategien von Wirten, an die Macht zu gelangen und demokratische Strukturen zu stärken. Auf die Länge hin vermochten sie selten zu reüssieren, doch hinterliessen sie Spuren im Gedächtnis der Subalternen.
Dr. Fabian Brändle
Historiker, Buchautor, Blogger und Journalist
Brändle, Fabian. Demokratie und Charisma. Fünf Landsgemeindekonflikte im 18. Jahrhundert. Zürich: Chronos Verlag 2005.
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Dossier: Geschichte
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