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13.06.2024
«Whisky you Are the Devil!»
Ein Ostschweizer Bäcker als Beschreiber britischer Trinksitten
Franz Martin Sutter (gestorben 1921) wurde im Jahre 1849 in eine arme, kinderreiche Bauernfamilie hineingeboren, wo noch beinahe alles selbst angefertigt wurde (Subsistenzwirtschaft). Ein Bruder wurde Metzger, ein anderer Schreiner. Bald trat Franz Martin Sutter eine Bäckerlehre im benachbarten Will SG an, keine «Herrenjahre», wie er in seiner rund 30-seitigen «Lebensbeschreibung» meinte.
Nach der mit gutem Erfolg bestandenen Lehre begab sich Sutter auf Wanderschaft, avancierte zum Weltreisenden, der auch als Tourist Städte und ihre Sehenswürdigkeiten bestaunte und als Alpinist Berge wie die Rigi erklomm.
In Frankreich war wenig Arbeit zu finden, zumal in Lyon, wo der gelernte Ostschweizer Handwerker am Hungertuch nagte. Paris war zwar schön anzusehen, die «schönste Stadt der Welt» und Hauptstadt des 19. Jahrhunderts (so der deutsche Philosoph und Pariskenner Walter Benjamin), doch war es ebenfalls schwierig, eine Stelle zu finden. Immerhin konnte F. M. Sutter seine Kenntnisse als Confiseur verfeinern.
Doch zog es den Toggenburger nun ins Weltreich Grossbritannien, erst in die Hauptstadt des weltumgreifenden Empires, London, mit seinen beinahe drei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Dem Bäcker gefielen die Hauptsehenswürdigkeiten wie Tower oder das Parlamentsgebäude, doch der oftmals sehr dichte, londontypische Nebel, Trickdiebe, Betrüger, Hochstapler und Schläger setzten ihm zu, ebenso die Bettlerinnen und Bettler.
Also weiter westwärts, nach Irland, in die Hauptstadt Dublin, damals noch zum Vereinigten Königreich Grossbritannien gehörig, wenngleich auch unfreiwillig. In Dublin fielen Suter sofort die vielen Trunkenbolde auf, Tausende von Säuferinnen und Säufer vor dem Herrn.
Die herrschenden Trinksitten waren radikal anders als auf dem Kontinent und ganz alkoholzentriert. Auch Frauen und sogar Mütter tranken viel Whisky, und dies in aller Öffentlichkeit. So spielten sich so mancher Skandal und so manche theaterreife Szene auf den Strassen der irischen Kapitale ab. Anstatt sich bei der Begrüssung die Hände zugeben, spendierte ein Trinker dem anderen Zecher ein gemeinsames Fläschlein Schnaps. Wohl bekomms!
Dass der Whisky der Teufel sei und die regen irischen Unabhängigkeitsbestrebungen torpediere, konstatierte auch die katholische irische Abstinenzbewegung rund um ihren charismatischen Anführer Father Matthews: «Ireland Sober, Ireland Free!», meinte dieser einmal in einer Kampagne.
Mit Abscheu kehrte Sutter Dublin den Rücken zu und schiffte sich in Richtung Glasgow ein. In der schottischen Industriestadt fand er bald gut bezahlte und interessante Arbeit. Doch waren auch dort die Gebräuche rau, die Trinksitten berauschend. In den illegalen/halblegalen so genannten «shebeens» («Winkelwirtschaften») besoffen sich die Männer bis zur Bewusstlosigkeit. Wie in Dublin nächtigte so mancher Zecher im Strassengraben.
Franz Martin Sutter war wieder angewidert. Er selbst trank durchaus gerne ein Bier oder zwei, der Exzess war ihm aber eher fremd. Er warnte auch vor der schlechten Qualität des Fusels.
In Algerien, seiner nächsten Station, tranken gläubige Muslime überhaupt keinen Alkohol. Das war dem Jonschwiler Bäcker und Katholiken dann wieder allzu viel der Vorschrift. Für ihn zählte eher das rechte Mass. Dass Wissenschaftler im Hinblick auf die Zeit um 1870 auch schon von einer «europäischen Drogenkrise» (Branntweinpest) gesprochen haben, scheint mit Blick auf Grossbritannien zumindest plausibel.
Dr. Fabian Brändle, Historiker, Buchautor, Blogger und Journalist
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Dossiers: Alkoholkonsum | Geschichte
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